Ingo Schulze, Juli 2003

TransEurope-FootRace

Der "TransEurope-FootRace" ist schon wieder Geschichte. Er wird uns aber noch lange in Erinnerung bleiben und das soll er auch. Wahrscheinlich haben wir alle diesen Lauf noch nicht verdaut, mir jedenfalls geht es so. Wir hatten kaum Zeit die Eindrücke des Tages Revue passieren zulassen, da war auch schon der Start zur nächsten Etappe. Dieser Lauf hat uns alle auf das Äußerste gefordert.

Sport verbindet und schafft Freunde. Bei diesem außergewöhnlichem Lauf war es leider nicht immer so. Es gibt Leute deren Freundschaft ich gewinnen oder festigen konnte, andere sind für mich noch schwer einschätzbar und andere haben mir offen den Krieg erklärt. Warum? Ich habe in der Schlussphase mehrmals betont, dass dieser Lauf auch den einen oder anderen verändert haben wird. Sei diese Veränderung kurz- oder langfristig. Dieses Abenteuer dürfte wohl an niemanden spurlos vorübergegangen sein. Es wird einige Leute für lange Zeit prägen, denn sie haben lernen müssen, dass man auch mit wenig auskommen muss. Dieses ist unserer Zeit eine ganz wichtige Erfahrung!

Es wurden Berichte wurden eventuell zu früh geschrieben und die Verfasser überlegen vielleicht, ob sie nicht doch übereilt geschrieben haben? Nun sind diese Berichte veröffentlicht und es ist nichts mehr daran zu rütteln. Nach so einem extremen Lauf kommt bei den meisten die große Leere oder sie werden sogar depressiv. Auch mir geht es so und ich wünschte, dass ich noch eine weile Ruhe gehabt hätte. Zu viele Eindrücke habe ich noch nicht verdaut. Ich gehe wieder meiner Arbeit nach und es kommt mir vor, als wäre ich gar nicht fort gewesen. Andererseits waren diese zehn Wochen eine Ewigkeit. Schade, ich hätte noch eine Weile Schonung vertragen.

Ich habe so ziemlich alles gelesen, was mit dem TransEurope zusammenhängt. Erschrocken war ich über den Bericht von Martin Wagen. Selten hat er das Wort an mich gerichtet und spricht dann wieder von mangelnder Kommunikation meinerseits. Auf dieses Thema werde ich noch eingehen. Ansonsten möchte ich diesen Bericht nicht überbewerten oder mich groß dazu äußern oder rechtfertigen. Es ist seine, hoffentlich übereilte, Meinung. In zahlreichen Schreiben ist allerdings nachzulesen, dass er sich mit diesem Bericht selber keinen Gefallen getan hat. Für mich persönlich ist dieser Bericht eine persönlichen Abrechnung. Was immer der Grund für diese Abrechnung sein wird! Es wäre nicht weiter schlimm, wenn er mit mir eine Rechnung begleichen wollte, aber das er auch auf Betreuer und andere Teilnehmer losgeht, das ist ziemlich herb.

Es gab Äußerungen die niemals nach draußen hätten dringen dürfen, weil sie den Betroffenen durch Provokation, Beleidigung und Diskriminierung tief verletzt haben und dieses gehört nicht offen angeprangert. Geschriebenen Beiträge sollten sich auf einer sachlichen Ebenen bewegen. Es ist zu beachten, dass diese Beiträge nicht nur in Deutschland zu lesen sind, sondern auf der ganzen Welt.

Zum Beispiel Thema; Hiroko Okiyama + Musste das wirklich sein? Wie steht die Frau jetzt da? Die japanische Mannschaft + Gerade mit den Japanern hatte ich nie Probleme! oder das Ehepaar Bayer + Die Bayers sind in Deutschland bekannt, wie bunte Hunde. Else ist aus der Läuferwelt nicht mehr wegzudenken und wird nun so verärgert? Ich hoffe nur, dass mir ihre Freundschaft erhalten bleibt. Mit Else war es nicht immer leicht, aber auch sie stand unter starkem Druck. Jeden Tag einkaufen: Habe ich auch das Richtige? Stimmt die Menge? Aber auch die Schlepperei mit den Flaschen hat sie geschlaucht. Ja, es hat mich auch stark getroffen und wenn ich etwas böses hätte sagen wollen, dann bestimmt nicht mit diesem Medium. Es wurden aber auch Läufer angegriffen. Hier wären einige Entschuldigung fällig. Mich kann er dabei herauslassen. Ich habe es abgehakt!

Hier eine kleine Rückschau:

Streckenbeschreibung und Streckenlänge: Es ist nicht nur ärgerlich, sondern auch frustrierend, wenn die Streckenlänge nicht stimmt und einem auf halber Strecke gesagt wird, dass noch einmal drei oder noch mehr km hinzukommen. Was aber noch schlimmer ist, wenn man es kurz Etappenziel erfährt oder es selber merken muss. Sagt nichts: Es ist ärgerlich und man könnte die Wände hochgehen oder den ganzen Kram hinschmeißen! Jetzt aber die Verteidigung: Auch wenn sie für euch dünn erscheint. Du bekommst eine Halle zugewiesen und wenn du vor Ort bist, dann wird dir gesagt, dass man nun doch eine andere Unterkunft hat. Diese liegt dann natürlich nicht auf der Strecke. Man ist aber froh, dass man überhaupt eine Unterkunft hat. Noch schlimmer aber, was mir mehrmals passiert ist: Ich hatte nur die Adresse vom Rathaus (mehr war im Vorfeld nicht drin) Als ich dann vor Ort war, hat man beraten, welche Halle für mich am günstigsten wäre. Wer hätte hier in meiner Haut stecken wollen?

Der Streckenverantwortliche traf bei seiner Erkundung, ein Jahr zuvor, auf eine Baustelle oder Umleitung und musste die Entfernung schätzen. Dumm gelaufen, aber als nicht Einheimischer ist es nicht unbedingt leicht. Es können auch andere unvorhergesehenen Dinge eintreffen. Ganz schlimm war es in Belarus und der Russischen Föderation. Die Etappenziele lagen lange fest. Per E- Mail erfuhr ich von Änderungen, vor Ort noch einmal Änderungen. Die Streckenlänge? Na ja, so ungefähr? Aber so genau weiß ich es auch nicht! Ich stand jedes mal Schweißüberströmt da, wenn ich das Etappenziel erreichte und wieder feststellen musste, dass die Strecke nicht stimmt. Hier war dann ein ganz schlauer, der mir riet die Strecke jeden Abend noch einmal abzufahren. Kommentar überflüssig! Einen ganz heißen Tipp erhielt ich in Frankreich. Hier wurde ich sogar massiv angegriffen. Es wurde mir vorgeschlagen, dass ich bei den langen Etappen einige km herausnehmen sollte. Selten so gelacht, wie vorgestern! Wir kommen in Moskau an und sagen, dass wir durch Europa gerannt sind, und weiter? Es war im weitem Vorfeld bekannt, was auf die Läufer zukommt und nun soll ich feilschen wie auf einem türkischen Basar?

Leute, ich habe wegen der Streckenänderungen eventuell mehr gelitten als ihr. Ihr seit die Strecke gelaufen, habt geflucht und euch dann missmutig auf die Matte gelegt. Ich, so glaubt mir, habe oft nicht schlafen können, habe vor Frust das Abendessen ausfallen lassen, weil mich das Gewissen plagte. Lacht da jemand? Jawohl Gewissen! Wahrscheinlich bin ich als Veranstalter nicht abgebrüht genug und sollte mehr Gelassenheit an den Tag legen. Machen aber nicht gerade Emotionen den Menschen so menschlich?

Athletenrat: Hier eines vorweg; Die ersten Tage herrscht natürlich dicke Kameradschaft. Gerade beim TransEurope war aber schnell zu merken, dass schon nach kurzer Zeit die Positionskämpfe einsetzten. Schon sehr früh wollten viele ihr eigenes Rennen laufen. Etwa am 13. Tag herrschte eine Saustimmung und ich rief eine Sitzung ein. Hier wies ich mal auf einige Punkte der Satzung hin. Es tauchten erstaunlicher Weise nur weinige Fragen auf. Einer zeigte sich entrüstet über die nicht Läufergerechte Verpflegung. Hier konnte ich nur versprechen, dass ich auf mehr Nudeln usw. achte. Ich schlug die Wahl eines Athletenrates vor. Es wurden einige Stimmen abgegeben aber das Interesse war nicht so groß. Jeder wollte sein Rennen und seine Ruhe. Zum Überfluss habe ich auch noch die Liste am nächsten Morgen hängen lassen. Tagelang machte ich mir Gedanken darüber, wie ich die Wahl nachvollziehen kann. Ich hätte mir den ganzen Mist sparen können. Es tauchte nicht einmal die Frage nach dem Ergebnis auf. Jetzt natürlich wieder ein heißes Thema! Ich gebe euch natürlich recht, wenn ihr sagt, dass so etwas unabdingbar ist. Meine persönliche Meinung aber: Es wäre wichtig für die Leute gewesen, von so einem Athletenrat zu wissen. Ich glaube aber kaum, dass dieser wirklich zum Tragen gekommen wäre. Ich kann mich irren und werde, wenn ich mal wieder auf solchen verrückten Gedanken komme, diesen von vornherein einberufen.

Die Person Ingo Schulze: Ich habe mich intensiv beinahe zwei Jahre darauf vorbereitet, nachdem Manfred Leismann mit dieser Sache an mich herangetreten ist. Es war für uns beide ein Traum. Er, weil er einen Kontinentallauf bereits in den USA bestritten hatte und für mich war dieser Traum noch in einer Schublade. Diese Schublade schloss ich schon vor Jahren, weil mir klar war, dass kein Mensch so blöd ist, so einen Lauf zu organisieren. Ich machte mir schon vor langer Zeit so meine Gedanken. Von Nord nach Süd wäre vielleicht noch OK, aber von Südwest nach Nordost, nach Moskau? Warum gerade Moskau? Was solls, warum auch nicht!

Ich habe Erfahrungen beim "Deutschlandlauf 1998" und beim "Spreelauf" 2000, 2001 und 2002 sammeln können. Diese Erfahrungen kamen mir beim "TransEurope-FootRace"

Verpflegung; Hier hatte ich mich bereits ausgelassen. In Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, Deutschland und Polen bestellte ich für die vorhandenen Personen und legte noch einmal für fünf bis zehn Personen drauf. Es reichte dann oder aber auch nicht. Ich aß prinzipiell als letzter und begnügte mich dann oft mit einigen Salatblätter. Das war für mich OK, denn erst meine Teilnehmer. Ich konnte immer noch einen Riegel essen. In den oben genannten Ländern wurde oftmals in Restaurants gegessen. Es gab oft Vorsuppe und Nachspeise. Das war natürlich recht nobel! Ab Belarus war das halt nicht mehr möglich. Wir waren in Osteuropa und jeder sollte wissen, dass es hier anders aussieht, als bei uns. Ich musste das Essen, wie oben bestellen. Wenn ich 20 kg Kartoffel brauchte, wozu sollte ich 30 kg bestellen, wenn ich mit 20 kg hinkam?

Ich sollte morgens etwas über das Streckenprofil und Änderung der Streckenlänge sagen: Das Streckenprofil wurde oftmals in der Streckenbeschreibung beschrieben und ich war noch nie vor Ort und konnte darüber nichts sagen. Ich wusste doch auch nicht schon am Morgen, ob es nun 82 oder 84 km waren. Mir wurde auch der Vorschlag unterbreitet, dass ich die Strecke am Abend zuvor abfahre und prüfe. Nun mal Ehrlich: Ich fahre 82 km hin, irgendwo verfahre ich mich noch und suche irgendeinen Ausgangspunkt, um noch einmal zu vermessen, dann fahre ich 82 km wieder zurück. Jetzt kann ich bestätigen: jawohl, es sind 82 km und keine 84. Sind es wirklich 84 oder habe ich mich bei der Verfahrerei vielleicht doch vertan? Dann war alles umsonst! Nächsten Tag fahre ich die gleiche Strecke voraus und bete, dass meine Überprüfung stimmt. OK, gehen wir davon aus, dass sie stimmt.

Als Veranstalter habe ich es als meine Pflicht gesehen, wenn ich vor Ort alles geregelt hatte, dass ich wieder auf die Strecke gehe. Dieses kam gerade bei den Versorgungsstellen gut an. Hier hatte ich endlich die Möglichkeit, mich in aller Ruhe um die Betreuer zu kümmern und mich das deren Wohlergehen erkundigen. Was mir bei meinem Abfahren der Strecken enorm auffiel und das können auch meine Beifahrer bestätigen: Wenn immer ich fragte, ob alles OK ist, wurde mir freundlich zugewunken; Ingo, alles klar. Hier hörte ich selten mal ein böses Wort. Diese kamen erst im Zieleinlauf. Logisch, jetzt waren sie kaputt und total am Ende. Da hieß es für mich schon mal in Deckung zu gehen.

Delegieren: An wen hätte ich wohl delegieren sollen? Betreuer waren oftmals Ehegatten und diese wollten sich um ihre bessere Hälfte kümmern, was ja wohl verständlich ist. Wie viele Leute hatte ich zur Verfügung? Jemand der den ganzen Tag für den "TransEurope" bekommt von mir noch gesagt, was er sonst noch tun könnte. Einige haben schon mehr geleistet, als ich erwarten konnte.

Ich habe allerdings auch mehrfach versäumt nicht uninteressante Meldungen herauszugeben. Ich habe es schlichtweg vergessen, Stress, Überforderung, was solls, ich habe es verschwitzt! Gibt es aber nicht aber auch so etwas, wie eine Holschuld? Ohne meine Schuld abzuwälzen, aber auch der Teilnehmer oder Betreuer hätte mich mal darauf hinweisen können.

Meine Leistungen die ich eingebracht habe: + Gründung eines Vereins + Erstellen einer Vereinssatzung, Ehrenordnung, Beitragsordnung usw. + Es mussten Bestanderhebungen gemacht werden + Sitzungen einberufen und vieles mehr, was ein Verein so mit sich bringt + Erstellen einer Satzung für den TransEuropa-Lauf + Erstellen einer Broschüre, welche alle drei Monate überarbeitet wurde + Führen sämtlicher Datenbanken + Anwerben von Teilnehmer und Betreuern + Fahrzeugbeschaffung + Beschaffung der Ausrüstung+

Nacharbeit: Fahrzeuge wieder abgeben, Material entsorgen, Erstellen der Urkunden und Ergebnislisten, Dankschreiben an Betreuer und Sponsoren erstellen, eine Menge Fragen beantworten + + + + .

Was sonst noch interessieren dürfte: Ich habe mein Lauftraining in den letzten vier Monaten vor dem Lauf auf nahezu Null gesetzt. Für mein Wohlbefinden war es keine Wonne + Ich habe in diesen Monaten bis zu 210 Stunden am PC gesessen. Die gesamte Vorbereitung dauerte 22 Monate. In dieser Zeit habe ich an maximal vier Wettkämpfen teilgenommen + All diese Dinge habe ich gern getan, denn ich wusste, dass über 40 Teilnehmer meinen eigenen Traum laufen werden. Für mich wird es ein ewiger Traum bleiben. Als Veranstalter konnte ich keinen Sponsor suchen. Damit ich während des Rennes finanziell etwas Beweglich blieb, bat ich in einer Sitzung darum, dass ich für die Zeit etwas entschädigt werde. Dieser Betrag fällt in meine nächste Steuererklärung. Der Betrag wurde auch unterwegs zum Großteil aufgebraucht, durch Speiseeis für die Läufer, hier mal ein Kaffee und dort mal etwas für die Betreuer usw. Der Lauf lief unter dem Namen "TransEuropa-Lauf e.V." und da muss ich entsprechend abrechnen, um die Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren. Ich war also in der Ausgabe des Geldes sehr eingeschränkt und habe es dann aus Bequemlichkeit von meinem eigenen genommen. Nun warte ich die Endabrechnung ab und hoffe, dass ich mit heiler Haut davonkomme.

Der nächste TransEuropa-Lauf, wenn NEIN, warum nicht?:

Lasst um Gottes Willen Osteuropa weg. Klar, es ist machbar, dass wurde ja jetzt bewiesen. Denkt aber an den Aufwand und Kosten. Es wurde mehrmals die Präsenz der Miliz gelobt. Ja prima, man fühle sich einerseits sicher, was wäre aber ohne deren Präsenz gewesen? Ständig mussten die Autos nachts bewacht werden. Einmal hatte ich keine Bewacher. Es war an einem Tag, an dem ich mich mal früh hinlegen wollte. Ich fuhr zur Polizei, um das zu regeln. Ab Polen schlief ich generell im Auto.

Lieber Nachahmer, dass meiste von dem was ich tagsüber gemacht habe kannst du beruhigt vergessen. Erst einmal merkt es niemand und zum Zweiten, wozu? Lass dich möglichst wenig sehen, dann bist du weniger angreifbar und du kannst Kraft für andere Dinge schöpfen.

Also, liebe Läuferwelt, ich möchte mich hier ganz offiziell vom "TransEurope-FootRace" verabschieden und werde wieder meinen "Nordstetter Schlosslauf" im April 2004 über 12,5 km machen. 2004 steht auch wieder der "Spreelauf" an. Mein geplanter "Deutschlandlauf 2005" wandert lieber wieder in die Schublade. Nein, es ist keine Feigheit, sondern ein gesunder Selbsterhaltungstrieb. Seit einigen Tagen trainiere ich wieder meine müden Knochen und versuche 2004 wieder in die Ultraszene einzusteigen. Ich bin mit 55 Jahren noch zu jung, um mich in der Szene abzumelden!

Es ist ganz einfach so: Du kannst heute nicht einmal einen Volkslauf machen, wie noch vor einigen Jahren. Seht euch die Startfotos an. Jeder schaut auf seine Stoppuhr und da habe du mal als Starter einen nervösen Finger! Den "Deutschlandlauf 1998" habe ich noch mit äußerst bescheidenen Mitteln gemacht. Wenn ich daran heute denke. Mann, dass sind erste fünf Jahre her. Auch Veranstalter müssen umdenken und mit der Zeit gehen, aber die Entwicklung hat uns bereits eingeholt.

Noch zum Abschluss: Die Siegesfeier war auch nicht gerade nach meinem Geschmack. Dem Beobachter dürfte aber auch aufgefallen sein, dass ich hier wenig Chancen hatte, ein wirklich knalliges Ding aufzuziehen. Hier auch kurz der Zieleinlauf erwähnt: Das ich die 15 km am letzten Tag herausgenommen habe, war keine "Räuberpistole" mir wurde von einer angereisten Journalistin gesagt, dass ein umgekippter LKW die Straße versperrt. Ich war etwas zornig, obwohl ich daran auch nicht ändern konnte. Alternative? Die Läufer sollten irgendwo durch die Pampa und wären dann etwa drei km mehr unterwegs gewesen. Die Fahrzeuge aber hätten einen riesigen Bogen fahren müssen. Es erschien mir das Vernünftigste, diese 15 km herauszunehmen. Die Entscheidung ist aus spätere Sicht auch sehr gut gewesen, ob nun mit LKW oder ohne.

Ja, der Zieleinlauf. Die Teilnehmer und Betreuer liefen im Pulk und die Polizei vorweg. An einer Kreuzung versuchte ich herauszubekommen, wo nun der "Verneigungshügel" ist. Laut der Skizze, die man mir am Abend zuvor gezeigt hatte, hätte es noch geradeaus gehen müssen und dann rechts. Die Polizei leitete uns aber gleich nach rechts und sofort wieder links. Eine Korrespondentin von der ARD bezweifelte diese Streckenführung ebenso wie ich. Nun waren wir vor dem sogenannten "Verneigungshügel" die Beschreibung passte auch irgendwie. Hier ließ ich die Läufer einlaufen und verließ sie dummerweise, denn hier KONNTE es nicht sein. 400 Meter weiter standen etwa 30 Journalisten und warteten auf die TransEurope- Läufer. Schei..... , ich also den kürzesten Weg, dorthin, wo meine Truppe sein sollte. Prima, sie waren noch alle beieinander. Schnell eingesammelt und zum letzten Start. Ich bin dann vorweg, um sie ins Ziel zu führen. Dieses war auch für mich ein bewegter Augenblick. Der Zieleinlauf nicht ganz geglückt. Was war hier aber so schlimm Herr Wagen? Wurdet ihr nicht im Ziel dafür entschädigt? Kameras, Blitzlichtgewitter! Man so etwas erlebt sonst nur Schumi!

Es ging dann mit dem Bus zum Roten Platz. Auch hier habe ich wieder Mist gebaut. Ich hatte vergessen den Leuten eine Zeit mitzugeben bevor die sich den Ort anschauten. Ich war doch von der ganzen Sache genauso überwältigt. Der Gedanke kam noch hinzu, dass ich es wirklich geschafft habe, die Meute ohne große Zwischenfälle nach Moskau gebracht zu haben und meine Arbeit beinahe abgeschlossen ist. Man, war das ein Gefühl. Die Presse saß mir im Nacken und wollte auf dem Roten Platz die Siegerehrung. Klar, hier konnte man eine Siegerehrung zwar unter erschwerten Bedingungen machen, aber gleichzeitig hatten wir die richtige Kulisse. Die Durchführung fiel mir sehr schwer, denn wie jeder erkennen konnte, war ich gesundheitlich sehr angekratzt und meine Stimme war manchmal kaum noch zu hören. Es bekam jeder seine Medaille und wir konnten zahlreiche Fotos vor dem Kreml machen. Das war es doch, was wir wollten!

Dann ging es zur Firma BAYER. Man war das ein Festschmaus. Vorher jedoch hielt jedoch der Geschäftsführer, Herr Harder eine Ansprache und dann durfte ich noch einmal ran. Ich verkündete noch einmal die Namen der 22 durchgekommenen und die Namen der Etappenläufer. Die Betreuer nannte ich nicht mehr namentlich, weil ich dieses schon auf dem Roten Platz getan habe. Ich wollte das ganze auch nicht in die Länge ziehen, denn ich bemerkte schon die ersten Unaufmerksamen die lieber mit dem Nachbarn tuschelten. Ein riesiges Feuerwerk usw. dass wäre es gewesen. Es war leider nicht möglich, wer hätte es auch bezahlen sollen?

Am nächsten Tag wollten wir mit einer großen Truppe zum "Olympischen Lauf" oder so ähnlich und am Abend war ein Besuch bei der Deutschen Botschaft angesagt. Ich nahm an beidem nicht teil, was mir einige Leute verübelten. Hier ganz klar: Ich bin hier niemandem Rechenschaft schuldig gewesen. Meine Arbeit war mit der Einnahme des Frühstücks abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt war ich wieder der Privatmann Ingo Schulze. Es bestand für mich lediglich eine moralische oder gesellschaftliche Verpflichtung. Ich war gesundheitlich angeknackst und außerdem hatte ich jetzt nur noch einen Wunsch; Ab nach Hause! Ich war über mich selbst erstaunt. Es zählte nach 10 Wochen plötzlich jede Minute. Einigen anderen erging es ebenso, obwohl diese mir Tage zuvor ins gewissen geredet hatten, dass ich bis Montag bleibe.


Was soll ich noch sagen?


Sehen wir uns mal wieder?

Mit den besten Grüßen

Euer Ingo

© Ingo Schulze, im Juli 2003