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Frank Berka zum Burginsellauf Delmenhorst (08.07.2005) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Frank Berka zum Burginsellauf Delmenhorst:
Frank Berka , 08.07.2005

02.-03.07.2005 24-Stunden-Burginsellauf Delmenhorst „VolkersSohn läuft weit“

Am Ende unseres schon gewohnheitsmäßig im Juni stattfindenden Sommerurlaubs galt es, eine Entscheidung zu treffen. Ein 24-Stundenlauf sollte es dieses Jahr noch sein, doch wann und wo? Die Errungenschaften der modernen Technik halfen weiter. Über „den Steppenhahn“ und die DUV-Internetseite einen Überblick verschafft, die Ausschreibungen mehrerer Veranstaltungen angeklickt und in Delmenhorst hängen geblieben. Weil der 2. und 3. Juli terminlich gut passen, in der Starterliste schon nette Leute verzeichnet sind und der Erlös einem guten Zweck (der Gesundheitsförderung von Kindern und Familien, mehr unter www.24-lauf.de) anheim fällt.

10 Tage vorher noch nach verschiedenen Infos gefragt, die Karl-Ludwig Rittel auch bereitwillig gibt. Er ist für die Einzelläufer zuständig, nebenbei noch NLV-Streckenvermesser und hat die Strecke bestenlistentauglich gemacht. Zwei Marathons nach dem Urlaub im Herzogtum Lauenburg und in Stüde deuten an, dass die Urlaubserholung nach 14 mal Marathon und mehr von Januar bis Mai Wirkung zeigt.

Überpünktlich in Delmenhorst ist der erste Bekannte 100 MCler Thomas „Affenzahn“ Radzuweit, der mir über den Weg läuft. Auch er wagt seinen zweiten 24er, auch er debütierte letztes Jahr in Schenefeld. Neben dem geräumigen Parkplatz ist ein Festgelände mit Ständen von Sponsoren und Gastronomie sowie eine Bühne (für abendliche Livemusik und die spätere Siegerehrung) aufgebaut. Es wimmelt von gleichangezogenen Sportlern, die Staffeln bauen ihre Zeltstadt auf.

Für uns Einzelläufer ist bestens gesorgt. Direkt neben der Strecke ist auf der Rundeninnenseite eine kleine Rasenfläche, auf der bereits Kalle Wiegand und Frank Dams aus Wilhelmshaven sowie Thomas Braje (Esens) ihre Klappstühle und -liegen aufgebaut haben. Dahinter im SSB-Gebäude ist ein Seminarsaal freigeräumt als Ultraschlaf-, -umkleide- und -massagesaal. Die für die Ultras reservierten Toiletten werden trotz zeitweiliger Türsteher immer wieder von Staffelläufern benutzt. Die laut ins Schloss schlagenden Türen sollten das einzige sein, was mir von den folgenden 24 Stunden negativ in Erinnerung bleibt. Ansonsten kann jetzt schon gesagt werden, dass die Organisation ganz ausgezeichnet ist.

So langsam kommen auch die weiteren Einzelläufer an: Sylvia Rehn und Schek kee Lo (Hamburg) parken den VW-Bus fast direkt neben der Strecke. Manfred Ludwig (Korschenbroich) erzählt von Reichenbach letzte Woche, erst auf Nachfrage bestätigt er seine AK-DM. „Steppenhuhn“ Jens Vieler alias „Jens-geht-laufen“ kommt mit seiner Familie aus Hohenlimburg hinzu, ebenso aus Rheine Manfred Neumann und Lothar Wagner und dem Münsterland Michael Geske und Peter Knein. Der Lokalmatador Thomas Eberhardt war im letzten Jahr schon dabei. Aus Berlin kommt Hajo Palm. Schließlich sind noch Alfred Schwarz (Wildeshausen) und Stefan Krause (Syke) aktiv.

Karl-Ludwig bittet uns zum Fototermin. Später sehen wir das Foto – auf unseren Urkunden. Eine gelungene Überraschung und sehr schöne Erinnerung. Fast wie beim Triathlon gibt es eine Wettkampfbesprechung vor dem Start, bei der die letzten Erläuterungen gegeben und die Rundenzähler und Verpfleger vorgestellt werden.

Um Punkt zwei Uhr geht es auf die erste, exakt 1,479 km lange Runde. Sie führt gegen den Uhrzeigersinn noch 100 m Asphalt nach links um das Schwimmbad herum. Es beginnt ein Parkweg, teilweise mit ein paar Schottersteinen. Rechts liegen Kleingärten. Die Stimmung ist gelöst. Die ersten hunderte Meter ist die Gruppe beisammen. Mal geht Affenzahn nach vorne, dann kurz VolkersSohn, dann wieder jemand anderes. Nach 600 m kommt eine Linkskurve mit weitem Bogen und fast 180 Grad, dann geht es durch den Park wieder zurück. Links und rechts befinden sich große Wiesen, Parkbänke, einige Bäume und Büsche. Weitere 300 m später biegt die Strecke nach rechts ab, es folgt das 1000m-Schild, eine gute Orientierung. Nach etwa 1200 m folgt eine enge Linkskurve, ehe es auf einem gepflasterten Weg über einen niedrigen Hochwasserschutzdeich geht. Es mögen 1,5 Höhenmeter sein, die man nach und nach mehr spürt. Oben steht ein Schild „Bergwertung“. Der gepflasterte Weg fällt ca. 2 m ab und führt an einer Baumreihe entlang. Links hinter einem Zaun ist ein gut frequentierter Skaterplatz. Und nach einer letzten Linkskurve befindet man sich wieder auf der Start- und Zielgeraden. Durch Hütchen getrennt sind die Einzelläufergasse und die Staffelwechselzone. Das Ultrafeld zieht sich etwas auseinander. Die Noch-nicht-dran-Staffelläufer und das Publikum applaudieren den 17 Unentwegten. Und die Sonne lacht dazu.

Über den Tag wird es wärmer. Wer eigentlich führt, bekomme ich nicht so genau mit. Bei den Herren hat sich Affenzahn Thomas zunächst etwas abgesetzt. Bei den Damen ist die Frage eindeutig. Sylvia ist die einzige, die sich hier der Herausforderung stellt. So wird sie schon nach wenigen Metern von einem Mitläufer zum Sieg beglückwünscht.

Es folgten die ersten Staffelüberrundungen. Die meisten Sportfreunde lassen artig etwas Platz um uns herum, machen finden noch aufmunternde Worte. Eine Damenfußballmannschaft mit auffallend orangefarbenen Trikots und Fußballrückennummern gewannt unsere Aufmerksamkeit, ebenso zwei Teams in GER-Trikots, wohl deutsche Polizeimannschaften. Bei anderen Staffeln wird klar, dass die das Tempo niemals würden halten können. Und in der Tat, am nächsten Tag werden wir viele Staffelüberrundungen rückgängig machen können.

Es bleibt ein wenig Zeit für Gespräche. Jens erläutert die Strategie für sein Debüt. Er arbeiten genau wie Sylvia und Schek kee auf den Deutschlandlauf hin und will nichts riskieren. Mit Alfred wird erörtert, dass ich vor neun Jahren in Wildeshausen einen Triathlon gemacht habe. Und in Esens und Rheine-Elte bin ich auch schon mal gelaufen. In WHV ist das Ziel des Ems-Jade-Laufs.

Nach Marathon und 4 ½ Stunden merke ich die Wärme und erste Müdigkeit in den Beinen. So früh. Nach 60 km kommt man gar nicht mehr umhin, die von den fleißigen Helfern angebotenen Nudeln mit Tomaten- oder Käsesoße zu probieren. Thomas R. hat längst die Vorzüge des Verpflegungsstandes erkundet und den Gemütlichkeitsfaktor des Ultras in den Vordergrund gestellt. Karl-Ludwig erzählt, dass gleich die Physiotherapeutin für zwei Stunden kommt.

Das ist es. Vielleicht kann sie meine Beine wieder munterer machen. Also ab zu Heike Lange in den Ultra-VIP-Raum. Und anschließend wieder los. Es geht fast besser als vor sieben Stunden zu Beginn des Laufs. An dieser Stelle nochmals ganz herzlichen Dank, besonders von meinen Waden und meinem Rücken. Die Sonne verschwindet immer mehr, es wird endlich kühler. Und es läuft. Die „verlorenen“ 20 Minuten hole ich bis km 80 wieder rein. Ja, zugegeben, ich habe ein Zettelchen dabei mit den Zwischenergebnissen aus Schenefeld und schaue immer mal wieder drauf.

Bei km 90 liege ich deutlich unter der Zeit. Es ist mittlerweile still geworden, und dunkel. Nein, nicht ganz dunkel. In Delles, wie eine frühere Kollegin ihre Heimatstadt nennt, sitzt – wenn ich das richtig gehört habe – die niedersächsische THW-Spezialeinheit für Beleuchtung. Und die hatte am Abend ganze Arbeit geleistet und die Strecke mit Strahlern und bemerkenswerten „Ballonlampen“ ausgeleuchtet. Meine Lieblingsstelle ist die o.g. fast-180-Grad-Kurve, in deren Mitte eine solche Lampe steht.

Eine der schönsten Stunden dieses Jahres. Die Ruhe, man hört nur im Hintergrund leise die Lichtstromaggregate und ein paar Vogelstimmen, die frische Luft, ein Lauf, bei dem man sich immer sicher und umsorgt führt (es gehen sogar Sportler Streife, um Bösewichte von Störungen abzuhalten), und die Leistung, die zufrieden stellt. Rund 98,3 km stehen nach 12 Stunden auf dem virtuellen Tacho. Ich bekomme ein Fähnchen in die Hand: „100 Kilometer“. Ja, die 68. Runde ist erreicht, hier werden die 100 voll. Mit aus der Rundenzeit errechneten 12:12 Stunden für 100,0 km ist die zweite persönliche Bestleistung innerhalb einer Viertelstunde gefallen.

Nun ist es Zeit zu ruhen. Ich melde mich beim Kampfgericht ab. Das nette Angebot eines weiteren Tellers Nudeln kann ich nicht abschlagen. Kurz geduscht, allen Vorurteilen gegen Beamte entsprechend die Zwischenzeiten von der Uhr in meine Rundentabelle übertragen und ab in den Schlafsack. Affenzahn liegt 10 m weiter. Und ein Feldbett ist auch besetzt.

Das ist ja wie in Schenefeld: Alles tut weh, eine angenehme Liegeposition gibt es nicht. Jedenfalls nicht auf der Isomatte. Trotz schlagenden WC-Türen und Wehwehchen schlafe ich dann doch irgendwann ein. Schon nach 2 ½ Stunden wache ich aber wieder auf. Was tun? Weiterschlafen? Ein Blick hinter den Vorhang zeigt, dass es draußen bedeckt ist. Kurz nach fünf, mal schauen gehen. Fühlt sich angenehm an, das sollte man nutzen. Also melde ich mich wieder an, greife am VP einige der Leckereien (Kuchen zum Frühstück, wunderbar). Im roten Bus ist noch alles ruhig, Affenzahns Luftmatratze war aber schon leer, mal losgehen. Der Kreislauf braucht seine Zeit, aber nach der Rundenhälfte wird angetrabt. Und fortan werden in einem Wechsel aus Essen, Gehen und Laufen die nächsten Kilometer gemacht. Jens und dreimal Thomas überholen. Manfred erläutert seinen Stand der Dinge. Alle machen einen guten und recht frischen Eindruck.

Nun bewegt sich auch etwas im VW-Bus. Sylvia und Schek kee kehren auf die Strecke zurück. Sylvias grünes Trikot leuchtet im Grün des Parks. Ich habe etwa 25 kms Vorsprung, als beide gegen 6 Uhr wieder dabei sind. Sylvia liefert einen tollen zweiten Tag ab und überrundet mich ein ums andere Mal zurück. Schon etwas bange rechne ich hoch. Da ich aber auch wieder mehr laufe, reicht es am Ende noch mit 7 kms. Also hat sie in den letzten Stunden ca. 18 kms auf mich gut gemacht. Ich glaube, sie war in dieser Zeit auch schneller unterwegs als alle Männer.

Schek kee sprach schon am Abend von Magenproblemen. Und auch am Morgen wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Der Verdauungstrakt spielte nicht mit, so dass unser Kämpfer nach insgesamt 68 Runden und über 100 kms die Konsequenz zog. Es gibt solche Tage, da spielt irgend ein Organ nicht immer mit, wer hat so etwas noch nicht erlebt.

Eine viel bessere Nachricht erreicht mich. Heike Lange ist wieder da und nimmt sich der Ultramuskulatur an. Nach den guten Erfahrungen vom Vortag beschließe ich, einen weiteren Boxenstopp einzulegen. Und wieder geht es anschließend besser, nein, es läuft besser. Das 125 km-Fähnchen bringt mir noch einmal den Beifall des Publikums und der Staffeln. Mehrere komplett gelaufene Runden, nun kann ich sicher hochrechnen, die alte Bestleistung von 147 kms zu überbieten. Und dann ist es soweit, in der 100. Runde wird die Bestmarke geknackt. Und noch über eine Stunde Zeit. Es folgt die 150 km-Fahne, innerlich voll Zufriedenheit wird sie über die Runde getragen – vielleicht meine schönste Runde im ganzen Rennen. Das Gefühl sagt mir, dass es so noch stundenlang weitergehen könnte. Kurzzeitig. Denn nun kommt wieder Bewegung in das Feld. Die Staffeln kämpfen noch einmal um Platzierungen, und auch manche Ultras holen aus sich heraus, was noch geht. Zwei letzte schnelle Runden sorgen für mein Endergebnis von 156,670 m, als das Abschlusssignal ertönt.

Die 150 km-Fahne hat in diesem Moment Sylvia in der Hand. Aber es reicht nicht ganz, bei der Restmetervermessung fehlen nur 560 m an den 150 kms. Dennoch eine sehr überzeugende Vorstellung. Das gilt auch für Thomas „Affenzahn“ Radzuweit, der mit der 125 km-Fahne in der Hand ebenfalls eine persönliche Bestleistung erzielt, 125,720 m. Und wie wir ihn kennen, hat er auch die Annehmlichkeiten außerhalb des eigentlichen Rennens (die Rede ist vom Verpflegungsstand und vom Schlafsack im VIP-Raum) gut genutzt.

Ich sitze erst einmal an meiner Stoppstelle. Zufrieden, lockeres Plaudern mit den Staffelläufern, die ihren letzten Helden entgegengehen. Die Sonne scheint wieder, aber es ist nicht so warm wie am Vortag. Später erfahre ich, dass Jens Vieler mit 189,270 kms gewonnen und damit am Streckenrekord von René Wallesch (189,4 kms) gekratzt hat. Welch ein Einstand. Zweiter wird Thomas Braje (186,350 kms), ebenfalls ein Debütant!? Und dann folgt schon Manfred Ludwig, der als M65er das Kunststück fertig bringt, zweimal innerhalb von acht Tagen über 180 kms zusammen zu laufen (heute 180,600 kms), ein würdiger deutscher Altersklassenmeister.

Noch einmal Verpflegung nehmen, abbauen und, oh, schon wieder da, ja darf ich denn noch einmal, eine letzte Massage von Heike Lange. Ideal, müssen Affenzahn und ich doch noch 130 km nach Hause fahren. Bei der Siegerehrung werden alle 17 Ultras einzeln aufgerufen und vom Publikum gefeiert. Jeder erhält eine Urkunde (s.o.), Ergebnisliste, einen Pokal und eine Erinnerungsgabe. Nach dem Duschen (in dieser Kategorie wurde ich letzter) und einem letzten Blick auf den Festplatz geht es wieder heim.

Zwischen Bremen und Hamburg steuern Thomas und ich zwei Rastplätze an. Die Müdigkeit ist doch recht groß, verfliegt aber nach einem starken Kaffee in einem Sittenser Fastfoodrestaurant. Wohlbehalten und voller guter Erinnerungen erreichen wir am frühen Abend Hamburg. Schön war’s. Und – oh Wunder – am nächsten Tag bemerken nur wenige aufmerksame Zeitgenossen, das „er gestern wieder irgendetwas gelaufen ist“. Obwohl der Fahrstuhl ausgefallen ist und mein Büro im dritten Stock liegt. Und mir wird klar, dass ich mit einem Start in Delmenhorst eine gute Entscheidung getroffen habe. Die Veranstaltung kann jedem sehr empfohlen werden.

© Frank Berka, 08.07.2005

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