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Elisabeth Herms-Lübbe zum Troisdorfer 6h-Lauf (15.11.2005) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Elisabeth Herms-Lübbe , 15.11.2005

Umsturz in Troisdorf

In Troisdorf bei Bonn war am 13. November 2005 wieder 6-Stunden-Lauf. Im Zusammenhang damit fand am Vortag eine Mitgliederversammlung der DUV (Deutsche Ultramarathon-Vereinigung) statt, die nach gewaltigen Turbulenzen nötig war.

Zunächst ein kleiner sprachlicher Exkurs: Der Ort wird Trooosdorf ausgesprochen, nicht Treusdorf. Das ist ein Dehnungs-i hinterm o. Ich habe mal in der Gegend gewohnt und musste das auch lernen, und seitdem bin ich empfindlich in der Hinsicht.

Ganz allgemein gilt: wenn man in einem Verein ist, nimmt man seine Mitgliedschaft ernst. Keine halben Sachen, dann kann man sich den Mitgliedsbeitrag gleich ganz sparen. So sage ich immer, und das soll auch für mich selbst gelten. Also bin ich hin zur Versammlung.

Aber wie bin ich vor Zeiten in die DUV gekommen? Ich denke, wie die meisten DUV-Mitglieder: aus Eitelkeit. Um richtig dem Kreis außergewöhnlicher Menschen anzugehören, die einen Ultramarathon gelaufen sind. Da verleiht man sich selbst eine Läuferehrenwürde. Man könnte die DUV vergleichen mit dem Club der Kapitäne, die Kap Hoorn erfolgreich umschifft haben. Man wird dann etwas Besonderes, wie die Kap-Hoorniers. Das hat auch einen gewissen Unterhaltungswert z. B. auf Partys, wenn man von solch einer Mitgliedschaft erzählen kann. In meinem Fall waren die anderen Ultramarathonläufer meines heimatlichen Laufvereins drin, also bin ich auch hinein.

Nach einigen Jahren ungefähr 30 Ultramarathons sehe ich das natürlich sehr viel abgeklärter, aber hauptsächlich wegen der urigen Vereinszeitschrift, die geballtes Laufabenteuer redaktionell ungezähmt ins Haus liefert, bin ich immer noch im Verein. Aber ich hätte keine Nachteile, wäre ich nicht mehr dabei, denn anders als bei meinem heimatlichen Laufverein, zu dessen Lauftreffs ich natürlich nicht mehr hingehen könnte, träte ich aus, könnte ich ohne Scham und ganz selbstverständlich an Ultramarathonveranstaltungen teilnehmen, wenn ich die DUV verließe. Das ist ein großer Unterschied. Also frage ich mich manchmal ganz normal, was bringt mir dieser Verein bei der Ausübung meines geliebten Hobbys?

Nun bin ich natürlich auch beeinflussbar. So durch die Aktion „Du bist Deutschland“. Die ist bei mir angekommen. „Du bist die DUV“, habe ich mir gesagt. Kannst ja mal sehen, was du da bewirken kannst in dem ganzen Streit. Zugegeben, etwas Sensationslust war dabei, denn in meinem ruhigen Dasein erlebe ich es nicht so häufig, dass zwei erbittert verfeindete Gruppe aufeinander stoßen.

Doch welcher Gruppe sollte ich nun meine Zuneigung schenken? Richtige Zuneigung hatte mit Sicherheit keine von beiden verdient, denn beide waren unfähig zur Zusammenarbeit miteinander und zu sachlicher Auseinandersetzung gewesen, so wie es dem Wohl aller DUV-Mitglieder gedient hätte. Also schon mal grundsätzlich von vornherein beiden Seiten ein dickes Minus für Streit. Zu den eher simplen Konfliktpunkten (Restmetervermessung, Startnummernband, Kopfhörer während des Wettkampfes, Trainingvorschriften für die Athleten des Nationalteams) käme jedes nüchtern denkende Hirn in Sekunden zu demselben vernünftigen Schluss, die können nicht wirklich so viel Feuer entfacht haben. Da hat etwas im Umgang miteinander nicht gestimmt. Misslich ist, dass auf beiden Seiten Leute sind, die ich schätze. Also bin ich ziemlich neutral in die Sitzung gegangen.

Und da waren sie versammelt: knapp 100 DUV-Mitglieder waren herbei geeilt. Sie saßen in einem großen Raum an großen Tischen, die in großem Abstand voneinander aufgestellt waren. Sonst herrscht immer kuschelige Turnhallengemütlichkeit, wenn man einander trifft, hier ganz das Gegenteil. Von oben her wurde alles beschienen von – architektonisch gesehen – 30-jährigen Deckenleuchten, die gleichsam graues Licht verbreiteten. Sie machten Stimmung für den anstehenden Volkstrauertag, oder für die traurigen Geschehnisse in der DUV. Vorn saß mit ernsten Gesichtern das Präsidium, in der ersten Reihe, etwas aufgekratzt, saßen die Umstürzler. Sie hatten ein komplettes Umsturzpaket vorbereitet, das als Papier in vielen Exemplaren auf den großen Tischen lag: Vorwürfe, Zukunftsprogramm sowie Namen für einen neuen Vorstand. Man redete einander mit feindlichem „Sie“ an, wenn überhaupt, und sprach mit beißenden Worten darüber, wer welchen Beamer einschalten dürfte. Mit dem Präsidiumsbeamer wurden Zitate aus den entsprechenden Internetseiten projiziert: Der Präsident Volkmar Mühl möge zur Hölle fahren, man würde ihm am Weihnachtsabend beim Auspacken der Geschenken helfen usw. Die Umstürzler ihrerseits hatten feindliche Zitate an die Wände geheftet, die jedoch im Umgangston nicht so völlig daneben waren. Nach einigen Eröffnungsformalien und einer jeweils 20minütigen Darstellung jeder Gruppe wurde auf Antrag der Umstürzler abgestimmt, ob der Tagesordnungspunkt Abwahl des Präsidiums vorgezogen werden solle. Danach war klar, wie es weiter gehen würde: Ja zur Änderung der Tagesordnung, Sieg für die Umstürzler. Nachdem Volkmar Mühl als Präsident mit knapper Mehrheit abgewählt war (51:46), trat der übrige Vorstand mit zurück, und das alte Präsidium verließ den Saal, nahm aber vorher noch emotional geprägte Solidaritätsbekundungen entgegen. Ich habe in diesem Augenblick mit gelitten, weil ich es unsäglich traurig finde, wenn Leute, die aus Idealismus, den man ihnen mit Sicherheit nicht absprechen kann, viel getan haben, sich so verabschieden müssen. Das war ein schlimmer Tag für den Idealismus im Allgemeinen.

Er sei nur froh, dass alles vorbei sei, sagte der Altpräsident. Dann ging das alte Präsidium mit ziemlich vielen Getreuen zum Italiener zum Essen. Die Pokale, die für die Siegerehrung aufgebaut waren, wurden mal eingepackt, dann wieder ausgepackt, der Punkt war ja nach hinten in die Unwesentlichkeit verschoben worden, genauso wie mein Antrag auf Vermeidung von zu knappen Zeitlimits und Zielschlusszeiten, mit denen langsame Läufer entmutigt werden.

Und weiter ging es mit der Tagesordnung. Alle Leute auf der Umstürzlerliste wurden gewählt. Der neue Präsident ist jetzt Ulrich Welzel.

Als die Pokalverleihung dran war, waren die meisten der zu ehrenden Athleten mit dem alten Präsidium verschwunden, und die Pokale mussten wieder in den Karton. Bei meinem Antrag für die Belange der Altersläufer war natürlich weitgehend die Luft raus, war ja nun auch wirklich nicht Hauptthema des Abends, aber man wolle sich drum kümmern.

Neben mir saß Marie Zollmann. Sie sei schon 1983 in Waldniel bei von Aakens 100-Meilen-Lauf für Frauen mitgelaufen. Ungefähr 20 seien sie damals gewesen. Da gab es noch Frauenförderung. Im neuen Präsidium sind gar keine Frauen.
Der nächste Tag, der Lauftag, begann mit Regen. Ungefähr 200 Einzelstarter waren da und 37 Staffeln. Mehrfache Startschüsse signalisierten den Beginn. Die 2,5-km-Strecke war soweit ganz nett: Stadion, Deichkrone, gar nicht so wassergebunden wie in der Ausschreibung beschrieben, Straße an Einfamilienhäusern und Reihenhäusern vorbei, Schule, Wald, Forsthaus. Viele von den kleinen Reihenhäusern sind unbewohnt und verwahrlost, obgleich sie für kleine Familien gar nicht so verkehrt sein dürften. Ich habe vergessen zu fragen, aber vielleicht sind das Bundeswohnungen, die vor 50 Jahren mal nötig waren, die der Bund aber nun nicht mehr braucht. Der Regen hörte auf, wir liefen unsere Runden. Publikum war nicht so reichlich, woher denn auch, wenn so viele Häuser verlassen sind. Dafür waren am Straßenrand, geballte Kraft, der neue DUV-Präsident und der Sportwart, auch der Vizepräsident, und sonst allerlei bekannte Leute, zum Beispiel Helmut Urbach, der früher immer Biel gewonnen hat, und die Bulligs, die den 6-Tage-Lauf von Erkrath veranstalten. Im Stadion waren Sprecher unermüdlich damit beschäftigt, die durchlaufenden Leute zu erwähnen und zu kommentieren.

Viele liebe alte Bekannte von mir waren auf der Strecke. Welche sah ich aber alle die Stunden gar nicht, weil sie sich mit derselben Geschwindigkeit wie meine voran bewegen. Wir wurden schmutzig auf dem Deich. Wenn da öfter solche Läufe stattfinden, können sie ihn eines Tages erhöhen. Hochgeschleuderte Erde sammelte sich auf den Rückseiten der Läufer. Welche hatten sie bis zu den Haaren, die waren unökonomisch gelaufen. Je älter der Läufer, desto schlurfiger die Laufweise, desto niedriger der Schmutzpegel. So ungefähr konnte man eine Regel aufstellen. Die exaktesten Anspritzmuster hatten die Topläufer Carmen Hildebrand und Georg Weiss. Da klebte es dick bis kurz unter die Kniekehlen, dann, wie abgewischt, nichts mehr. Da konnte man erkennen, was für einen gleichmäßigen Schritt die beiden haben.

Nach den sechs Stunden war ich reichlich erschöpft. Knapp 48 km hatte ich zustande gebracht. Der Sieger war gut 85 km gelaufen, die Siegerin knapp 78 km. Beim Umziehen und Duschen (heiß!) hätte ich gut einen Assistenten gebrauchen können, der mir im richtigen Moment Shampoon, Handtuch und das richtige Kleidungsstück reicht und den Fön in der Tasche findet, denn ich war reichlich unkoordiniert. Und wie sollte das weiter gehen? Für den Schwung, mich in die Kaffeeschlange einzureihen, hätte ich erstmal einen Kaffee gebraucht. Und dann trug doch eine Helferin meine verdreckten Laufschuhe durch den Saal. Peinlich, hatte ich stehen lassen. Irgendwie klappte es dann aber doch bald mit dem Kaffee, und da ich war wieder in der Spur. Siegerehrung, Abschied, und ab nach Kassel. Es war wieder ein schöner Lauftag gewesen.


© Elisabeth Herms-Lübbe, 15.11.2005

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