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Florian Bechtel , 13.09.2006Der P-Weg (67km)
Ich habe ein Geheimnis entdeckt: das Geheimnis von guten Ziel-Zeiten. Es gibt viele Dinge, die ein leichteres oder schnelleres Laufen versprechen: Schuh-Marken, Power-Nahrung, Getränke, Kleidung, etc. etc… Was ich entdeckt habe, ist was ganz besonderes: man kann es werder kaufen noch verschenken, man kann es sich weder leihen noch stehlen. Die einzige Möglichkeit, an dieses Wundermittel zu kommen ist, es selber zu machen. Das Geheimnis hat den seltsamen Namen: „Trai-Ning“
Trai-Ning ist wirklich eine ganz tolle Sache. Am vergangenen Wochenende zu Beispiel hat es mir geholfen, alle meine Rekorde ab Marathon-Distanz zu unterbieten. Und das auf einem relativ anspruchsvollen Parcours, dem P-Weg. Der P-Weg ist eine Veranstaltung in Plettenberg im Sauerland, bei der unter anderem auch ein 67km-Lauf mit gut 1800Hm angeboten wird.
Am Start um 7:30Uhr habe ich noch bitterlich gefroren, denn es war mit 6°C ziemlich kalt und außerdem etwas nebelig. Die anderen ca. 60 Teilnehmer waren deshalb überwiegend etwas wärmer angezogen als ich. Aber die versprochenen Höhenmeter ließen nicht lange auf sich warten, und so war ich schon nach wenigen Km einigermaßen auf Betriebstemperatur. Kaum war der erste Berg erklommen, bot sich mir ein wunderschöner Anblick von oben auf die, noch im dichten Nebel liegenden, umliegenden Täler: herrlich!
Ich hatte den Fotoapparat kaum wieder eingepackt, als mich ein Grüppchen von Läufern eingeholt hat, die ehe etwas schneller als ich waren. Einer davon, Michael, hatte es sogar noch eiliger als die anderen und zog nach ein paar Metern nach vorne. Da wir grade erst ins Gespräch gekommen waren, habe ich ein paar Schritte seines Tempos mit gemacht, bis ich ihn dann nach seiner Vorstellung von Zielzeit gefragt habe: Unter Acht Stunden! Whow, habe ich gedacht, der ist ein bischen zu stark für mich. Aber die Unterhaltung lief ganz gut, denn Michael kann prima von seinen 144 Marathons erzählen. Deshalb bin ich zunächst bei ihm geblieben. Da heuer seine dritte Teilnahme am P-Weg war, hatte er nicht nur viel Erfahrung: nein, er hatte gleich noch seine sämtlichen Zwischenzeiten der Vorjahre ausgedruckt mit gebracht, und verglich diese Zahlen ständig mit unserer aktuellen Position.
Auf den wenigen ebenen Metern konnte ich ganz gut bei ihm bleiben. Aber wehe wenn es bergauf ging! Hier hat Michael seine ganze Stärke zeigen können und ist auch da noch stramm marschiert, wo ich schon längst gekrochen wäre. Ich sage „wäre“, denn ich wollte ihn unbedingt so lange wie möglich als Gesprächspartner und Lokomotive behalten, und habe deshalb alles gegeben, um „dran“ zu bleiben. Wo bei das Wort „Gesprächspartner“ an den Anstiegen sicher nicht angebracht ist, denn ich konnte nur noch flüsternd keuchend: „ja“ oder „nein“ antworten, während er erzählt hat. Eigentlich habe ich schon ab km 20 ständig erwartet, daß ich total übersäuert und fertig stehen bleiben muß. Aber hier kommt mein Wundermittel in’s Spiel: bei den graden oder abschüssigen Streckenteilen, konnte ich mich immer wieder so weit erholen, daß ich die kommende Steigung mit gehen konnte. Bei Michael war es übrigens genau umgekehrt: er hat sich immer auf die Steigungen gefreut, weil er sich trotz seines enormen Tempos dabei ausruhen konnte.
Ab km 30 stellte sich bei mir so langsam die Hoffnung ein, daß ich doch noch ein paar Km mit ihm mit halten können würde. Durch seinen exakten Streckenplan, den wir alle paar Km um einige Sekunden unterboten haben, wußte ich nämlich, daß auch für mich eine neue Bestzeit über die 50km drin war. Ab jetzt hieß es für mich: Kämpfen! Die Km zogen in’s Land, der Himmel war perfekt tiefblau und voller Sonne. Der Boden war weitgehend trocken und leicht zu laufen. Kurz: ideale Bedingungen, den eigenen Rekord an zu greifen! Ok, wenn da nicht die 1800Höhenmeterchen in Form einiger saftiger Steigungen gewesen wären. Aber trotzdem: wir waren auf Kurs.
An der Marathon-Marke war ich dann tatsächlich nur 10Minuten langsamer, als im April beim Königsforst-Marathon, und der ist praktisch flach! Also weiter: es galt die Bestmarke der 50km vom 5:52 vom Troisdorfer 6h-Lauf zu unterbieten. Ganz nebenbei hatte ich natürlich auch ein anderes Vorhaben: vor Markus ankommen! Markus ist auf den Steigungen immer viel schneller als ich und war vor zwei Wochen am Monte-Sophia mit mir zugleich im Ziel. Heute war also viel Einsatz verlangt, wenn ich ihn schlagen wollte. Dank Michael kam das Km 50 Schild (es sind alle Fünf Km ausgeschildert) dann auch in Sicht: und Bingo: ich hatte meine Bestleistung um glatte 10 Minuten unterboten. Whow! Jubel!
Ein paar km weiter war allerdings dann erst mal die Luft raus. Ich hatte wohl doch zu sehr auf diese 50er Marke geschielt und mich zu früh verausgabt. Nur drei Km später, an einer langen, flach ansteigenden Straße, mußte ich Michael dann ziehen lassen, und eine Gehpause einlegen. Ich habe erst mal einen meiner Riegel gefuttert, und mir den MP3-Player aufgesetzt. Mit der richtigen Musik im Ohr, lief es dann wieder wie geschmiert.
Michael ist es zu dem Zeitpunkt genau umgekehrt gegangen: ohne mich als „Wagen“ hatte er als „Lokomotive“ auch irgendwie nicht mehr die richtige Power und hat unmerklich etwas Tempo raus genommen. So kam es dann, daß ich kurz vor Km 60, dank Iron-Maiden im Ohr auf Höchstgeschwindigkeit kam und wieder zu ihm aufschließen konnte. Jetzt gab es für uns kein Halten mehr. Seine Tabelle ließ ihn auf eine neue persönliche Bestzeit für ihn beim P-Weg hoffen, und ich war so stolz, wieder „ran“ gekommen zu sein, daß ich unbedingt mithalten wollte. Es geht von Km 60 an praktisch nur noch Bergab, einen langen schönen Waldweg entlang, und wir sind im 5min/km Tempo bergab gestürmt. Auch hier hat mir Trai-Ning wieder enorm geholfen, denn diese Geschwindigkeit ist eigentlich weit, wirklich weit, über meinem bisherigen Level. Aber nicht dieses Mal. Wir waren beide ziemlich einsilbig und haben uns nicht mehr unterhalten. Erst habe ich gedacht, Michael wollte einfach aus Freundlichkeit meine Luft schonen, aber als wir an einer Kuppe ein paar Schritte gehen mußten, hat er zu meiner Überraschung gesagt: „Wenn Du nicht wärest, dann wäre ich hier viel langsamer gewesen!“. Lieber Michael: wenn DU nicht gewesen wärest, wäre ich das Stück wahrscheinlich gegangen! Denn ich war jetzt echt fertig.
Bei Km 65, zwei Km vor dem Ziel, gibt es noch eine Getränke-Stelle. Hier habe ich dann endgültig abreißen lassen, mich erst mal für eine Minute gesetzt und drei Becher getrunken, bevor ich mich an die Restmeter gemacht habe.
In Plettenberg selber läuft die Strecke schön einmal rund um den Ort rum und legt dann sogar noch eine kleine Schleife für die Zuschauer durch die Fusgänger-Zone hin. Ich war immer noch halbwegs fit und habe diese letzten Meter wirklich genossen. In Plettenberg war absolute Fest-Stimmung mit vielen Buden und anderen Attraktionen und die zahlreichen Zuschauer haben mich begeistert empfangen. Die Strecke endet hier tatsächlich auf der Bühne des Festplatzes, wo der Kommentator jeden, wirklich jeden Läufer und jeden Walker persönlich begrüßt, und mir zu meinen 7:36 gratuliert hat.
Keine 10m vom Ziel entfernt, konnte ich meine Klamotten entgegen nehmen und mich auf den Weg zu den heißen Duschen machen. Frisch geduscht und sauber angezogen, bin ich dann zum Ziel zurück gepilgert und habe auf Markus gewartet, der bald darauf auch am Ziel war. Das er mit 8:43 bei einem Zeitlimit von über 10 Stunden als Letzter eingelaufen ist, beweißt auf welch hohem Niveau die Teilnehmer beim P-Weg sind.
Fazit: Der P-Weg ist eine fantastisch organisierte Veranstaltung. Bei den 67km-Läufern kommt locker ein Helfer auf jeden Teilnehmer! Die Strecke ist hart, aber gerecht: es wird überwiegend auf Forst-Wegen oder -Pfaden gelaufen. Die Cross- oder Trial-Strecken-Teile bleiben wohl unter 10km. Die Summe der Höhenmeter entspricht etwa dem Jungfrau-Marthon; dort ist man allerdings 25km früher im Ziel. Trai-Ning ist also für diesen Lauf wirklich SEHR zu empfehlen!
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© Florian Bechtel, 13.09.2006
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Kommentare zu diesem Bericht:
- Doppelter Glückwunsch nonplusultra 13-09-2006 11:46
- gaaanz langsam.. Florian 15-09-2006 08:57
Florian schrieb am 15-09-2006 08:57:gaaanz langsam..
Hi Norbert,
danke für die Blumen!
Ich versuche einfach Tempo und Streckenlänge meinem Trainings-Zustand an zu passen:
Wenn ich zu langsam Laufe, und mich nicht richtig austoben kann, bin ich am Ende immer traurig, daß es schon vorbei ist.
Wobei das eigentlich seltsam ist: je mehr Zeit ich mir für eine Strecke nehme, um so kürzer kommt sie mir vor.
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