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Stop, leider geschlassen!

 

Wolfgang Sacher zum 100km Ultramarathon Leipzig (07.08.2006) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Wolfgang Sacher , 07.08.2006

Leipzig 2005

Leipzig 2005

Nach den 100 km ist vor den 100 km.
Wie auch in den letzten Jahren hatte ich am Jahresanfang eine Planung meiner Läufe vorgenommen. Als Höhepunkt und eigentliches Hauptziel sollte es wieder ein 100 km-Lauf in Biel sein. Nach meinem letztjährigen in Biel (mit einigen Problemen) hatte ich natürlich auch noch Wünsche und Ideen für dieses Jahr, so z.B. 100 km Leipzig mit dem Anspruch der Deutschen Meisterschaft. Dabei konnte man davon ausgehen, dass daran auch Eliteläufer teilnehmen und es ein höherer Maßstab sein würde, denn es war ein Zeitlimit von 13 Stunden vorgegeben. Also hatte ich die Auswahl.
Zuerst gaben also die Termine Biel (17.6.05) und Leipzig (13.8.05) den Zeitrahmen vor. Dazu kamen die angebotenen Läufe über 60, 50, 30, 25 km, sowie Marathons und Halbmarathonläufe als Aufbau- und Trainingsläufe hinzu.
Mein Plan hatte nicht nur am Anfang lange Läufe zur Gewichtsabnahme, sondern es wurden auch Staffeln zusammengepackt, die einen Ansatz von Trainingsplan erkennen ließen. Nachdem der gesamte Überblick schon ein enormes Kilometeraufkommen aufzeigte, war von Anfang an klar, die 2 Termine Biel und Leipzig sind sehr nahe zusammen. 8 Wochen Regeneration und Wiederaufbau, wie sollte das gehen?
Wie sollte ich mich entscheiden? – Beide Läufe? Mit dem Risiko sie nicht richtig zu bestehen, weil im Kopf immer der andere Lauf mitwirkt.
Einen Lauf? – Welcher? - Ich musste mich also entscheiden.
Für beide Läufe sprach sich sehr schnell die Vernunft dagegen aus. Sollte es Biel, der Klassiker mit dem Flair und die in der Vergangenheit zu vergleichende Zeit (jeweils PB erreicht) oder Leipzig, mit der Deutschen Meisterschaft und hohem Leistungsniveau, neue Strecke, vielleicht schnellere Zeit (weil flachere Strecke) sowie dem Kostenfaktor, sein. Ich ließ diese Entscheidung noch bis zum Juni auf mich wirken und entschied mich erst eine Woche vor Biel für die Nichtteilnahme dort aus. Durch meine persönliche Situation hatte es sich dann doch sehr schnell so entschieden.
Mein Trainingsablauf war trotzdem auch für Biel ausgelegt und zu diesem Zeitpunkt (Juni) war ich vom Gefühl her auch topfit, wenn man so etwas überhaupt sagen kann. Ende Juni hatten wir (Moni und ich) unseren schon lieb gewonnenen Radurlaub hinter uns. Dabei war meine alte Verletzung in der Leiste wieder spürbar in den Vordergrund geradelt. Trotz Gymnastik und sonstiger Schonung war es schwierig dieses Problem in den Griff zu bekommen. Bedeutender war aber die muskuläre Umstellung. Ein Lauftraining wie vor dem Radurlaub war danach überhaupt nicht mehr möglich. Pause und Neuaufbau waren jetzt in den restlichen 7 Wochen gefragt. Die Probleme häuften sich. Sie wurden nicht weniger und die Zeit lief mir weg. Leipzig kam und ich fühlte mich schlechter als wie vor dem Termin Biel.
Leistungsloch? Übertrainiert? Doch zu hoher Anspruch? Auch die Fragen wurden vielfältiger. Die Unsicherheit machte sich breit. Auch ließen die Beobachtungen der Wettervorhersagen nichts Gutes ahnen. Eine Wetterfront mit Kälte, Regen, usw. zog von Westen auf uns zu und natürlich bis Leipzig gen Osten. Also die Probleme sollten scheinbar nicht weniger werden.

Die Vorbereitungen zur Fahrt nach Leipzig beinhalteten gegen mein sonstiges Ritual volle Ausstattung der Laufutensilien, denn wer weiß wer weiß! Ein Vorteil sollte es dann schon sein. Ein Rundkurs der 10 x zu bewältigen war. Man kam eben 10 x am Start und Ziel vorbei, um nötigenfalls auch die Schuhe oder Klamotten zu wechseln.

Der Tag der Abfahrt kam und wir fuhren nachmittags (nach Monis Arbeitstag) nach Leipzig (ca. 450 km). Die angesagte Wetterfront zeigte sich schon nach 1 Stunde Fahrt und umso mehr wir Richtung Osten kamen, wurde das Wetter immer schlechter. Regen, Wind, Kälte. Die Ahnungen, wie seinerseits beim Regenlauf in Biel, ließen bei mir die schrecklichsten Bilder im Kopf entstehen. Alles kalt, nasse Socken und Schuhe, sowie Blasen, Krämpfe usw., es konnte nicht schlimmer sein. Das einzige was mir gedanklich noch half war die Tatsache, ich würde ja nicht alleine leiden, sondern ich hätte noch Leidensgenossen mit dabei.

Geplant war, dass ich die Startunterlagen noch am Freitagabend abholen wollte, damit ich am Samstag nicht noch früher aufstehen musste. Es konnte nicht schlechter kommen. Stau auf der BAB und wir mittendrin. Über eine Stunde wurden wir so im Zeitplan nach hinten befördert. Es war schon etwas deprimierend. Um 20.50 Uhr fuhren wir in Leipzig am Auensee in das Stadion „August-Bebel-Kampfbahn“ ein. Kalt, Regen und alles Dunkel. Nur in einem Bierzelt war noch Licht. Also hineingestürzt und die erste gute Nachricht, die Startunterlagen konnten noch abgeholt werden. Kurzer Smalltalk. Die Leute (Vereinsmitglieder Laufclub Auensee) waren trotz der miserablen äußeren Umstände doch sehr zuversichtlich. Es wird schon gut gehen war der Tenor der letzten die bis jetzt noch ausgeharrt hatten, um den vorgegebenen Zeitplan einzuhalten. Denn es sollte ab 21.00 Uhr Nudelparty satt geben. Aber kein Läufer war da. Das ganze Sportgelände war still und trostlos anzusehen. Alles vorbereitet. Startanlage, Verpflegungsstellen, Sanizelt usw., aber alles still und einsam. Na ja, gute Nacht dachte ich in diesem Moment.
Wir fuhren dann schnellstens zu unserem gebuchten Hotel. Leider hatte sich das Hotel der allgemeinen Situation angepasst. Alles Dunkel. Ein kleines Schild mit dem Hinweis, bis 21.00 Uhr ist das Personal da. – Prima!
Handy raus und telefonisch konnten wir die Besitzer aktivieren. Sehr nette Leute! Mein Gewissen wurde natürlich mit dem Hinweis belastet, doch in so einem Fall sich telefonisch zu melden. Ja, hatte ich in dieser Situation vergessen. Aber es ging doch noch alles gut. Wir hatten die Zimmer und konnten uns dem nächsten Ziel, Abendessen, annehmen.
Die Hauswirtin gab uns noch einen Tipp, wo wir in der Nähe noch etwas zu Essen bekommen könnten. Wir zogen los, um das Lokal zu suchen. 2 Straßen weiter fanden wir das empfohlene Lokal. Es war offen. Leider gab es nur bis 21.00 Uhr warmes Essen. Die Wirtin erkannte aber unser Problem und trotz dem, dass sie das Lokal am nächsten Tag geschlossen hielt, zog sie alle Register um die schon geschlossene Küche zu aktivieren. Lob an die gastfreundliche Einstellung. Nach dem Essen dann schnell zurück zum Hotel. 24.00 Uhr. Bettruhe war jetzt angesagt. Ich hatte die Nacht zuvor nicht geschlafen, hoffte aber, dass es jetzt möglich wäre. Um 4.00 Uhr wollte ich aufstehen, denn um 5.00 Uhr war Frühstück angesagt. Im Hotel wohnten außer uns noch mehrere Läufer. Geschlafen hatte ich eigentlich nicht, scheinbar bin ich in Gedanken schon einige Kilometer im Voraus gelaufen. 4.30 Uhr aufstehen, Klamottenfrage. Regen, Wind, Sonnenschein? Es war noch alles dunkel, aber es regnete nicht mehr. Nach dem Frühstück (nicht viel) der Entschluss egal wie es kommt, kurz, im Vereinstrikot, so musste es einfach klappen. Moni fuhr mich dann zum Sportgelände. Hier war jetzt emsiges Treiben. Organisation, Läufer und auch die Lautsprecher gingen schon, Musik zum warm machen.

Es sollte also wirklich losgehen. Das Wetter war viel besser als gedacht. Nach den obligatorischen Einladung- und Begrüßungsworten kam pünktlich um 6.00 Uhr der Startschuss. Ca. 250 Läufer machten sich auf den Weg. Die Streichhölzer, wie immer vorne, und der Rest dahinter. Ich konnte den überschaubaren Haufen von der letzten Position aus in Angriff nehmen. Etwa die Hälfte der Läufer bestand aus Teilnehmern für den 50 km-Lauf. Diese waren in ihrem Tempo dann gleich vorne und man musste sich zügeln, um nicht gleich seine Energien zu verbraten.
Die 10 km Runde teilte sich eigentlich in einen 5 km Hin- und einen 5 km-Rückstrecke auf. Nur der kleine Auensee musste umlaufen werden. So hatte man eigentlich das ganze Läuferfeld immer wieder im Blickfeld. Meine ersten paar 5-km-Abschnitte bin ich natürlich zu schnell angegangen, auch noch mit Durchfall. Zum Glück ist ein Großteil der Strecke im Wald, so konnte ich das Problem einigermaßen bewältigen. Da es Tage und Nächte vorher geregnet hatte, waren die Waldwege, die teilweise Sumpfbereiche hatten, zu umlaufen. Abseits war es natürlich noch schwieriger. Die vor mir laufenden Läufer zogen mich, d.h. mein Lauftempo, immer wieder neu an. Die Durchschnittszeiten lagen, trotz Verpflegungsstellen unter einer 30-Minuten-Zeit. Eigentlich sollte ich zufrieden sein. Aber die Vorsicht zügelte immer wieder meinen Drang zum aufschließen. Es lagen noch viele Kilometer vor uns. Und ich wollte es ja so anständig wie möglich ins Ziel schaffen. Vielleicht sogar mit einer PB usw. So hatte ich dann eine Runde nach der anderen hinter mich gebracht. Mit den Laufkollegen vom Rodgauer Lauftreff wie auch vom SSC Hanau-Rodenbach konnte man auf der Strecke so manches Wort wechseln. Teilweise nur im Gegenverkehr, denn bei den ganz schnellen war ich eben nicht dabei. Aber so war Abwechslung und auch Spannung immer gewährleistet. Denn die bekannten Läufer/innen wurden natürlich genauestens beobachtet. Ab km 50 ungefähr meldete sich meine Leiste wieder. Um aber durchzukommen stellte ich meinen Laufstil etwas um. Es ging dann einigermaßen. Nach 2 weiteren Runden bei km 70 hatte es sich dann mit dem Laufstil umstellen. Die nicht so trainierten Muskeln wurden fester und ich befürchtete, dass jetzt die Muskelkrämpfe nicht mehr aufzuhalten waren. Mein letzter Versuch dieses noch zu verhindern war, dass ich das Tempo drosseln musste.
Jetzt merkte ich, dass ich mein absolutes Wunschziel (ha, ha, ha unter 10 Stunden) nicht mehr umsetzen konnte. Aber ich wollte natürlich durchkommen und meine letztjährige 100 km Zeit unterbieten. Dieses Ziel war dann doch noch von mir zu schaffen. Also stellte ich mein Bewusstsein um, auf ein anständiges Durchkommen. Umso mehr ich dem Ziel näher kam, umso sicherer wurde ich dann. Bei km 90 war es nur noch eine Runde und ich merkte, dass ich jetzt sogar mit mir zufrieden war. Eine PB war auf alle Fälle drin und es sollte sich nur noch entscheiden, vorne eine 10 oder 11. Mein Tempo musste ich immer mehr den Beinen, d.h. den aufkommenden Krämpfen anpassen. Trotzdem, die letzten 5 km waren dann schon mit Überfliegen verbunden. Wie ich die Ansagen im Lautsprecher hörte, wusste ich, heute war es ein gutes Rennen. Durchgekommen, PB und vorne eine 10, was wollte ich mehr! Im Ziel wurde ich von Moni in Empfang genommen und ich war stolz auf mich. Hatten die guten Worte von Moni in jeder Runde mich aufgerichtet, jetzt waren sie wie Benzin im Feuer. Aufgewühlt und glücklich. Der Moment, wo man Woche um Woche und Kilometer um Kilometer darauf hingearbeitet hatte, er war jetzt da. Nach der Euphorie und dem ersten Apfelwein (seit Monaten), jetzt kam die Wirklichkeit wieder. Beine fest. Weder Bücken noch Gehen oder Sitzen. Alle Tätigkeiten wurden jetzt in Zeitlupe und mit großen Umständen getan.
Die Laufkollegen/-innen vom Rodgauer Lauftreff und SSC Hanau Rodenbach hatten das Ziel mit folgenden Zeiten erreicht:

Carmen Hildebrand SSC Hanau Rodenbach W 35, 8:19:55 Std. Platz 1
Anke Drescher SSC Hanau Rodenbach W 35, 9:09:11 Std. Platz 5
Sebastian Kraft SSC Hanau Rodenbach Männer, 8:52:50 Std. Platz 41
Gerald Dudacy SSC Hanau Rodenbach M 50, 9:09:13 Std. Platz 53
Reinhardt Schulz RLT Rodgau M 60, 9:17:29 Std. Platz 56
Thomas Fischer RTL Rodgau Männer, 10:10:51 Std. Platz 80
Ernst Jochimsen RTL Rodgau M45, 10:36:26 Std. Platz 89
Djuro Dobrijevic SSC Hanau Rodenbach M 60, 10:41:05 Std. Platz 92
Gerhard Walpert RTL Rodgau M55, 11:39:01 Std. Platz 103

Bei Gerhard Walpert hatte sich schon frühzeitig eine alte Verletzung am Fuß bemerkbar gemacht, sodass er auch mit einem Abbruch seines Laufes rechnen musste. Aber er biss sich durch und konnte so auch als Finisher trotz aller Umstände zufrieden sein. Nach den gegenseitigen Glückwünschen im Zieldurchlauf hatten wir uns abends noch mit den Rodgau-Läufern in einem Restaurant getroffen. Gutes Essen und Wein rundeten dann den anstrengenden Tag ab. Noch vor Mitternacht bin ich ins Bett gefallen und merkte nicht mehr, wie ich in das Loch der Träume entschwand.



Wolfgang Sacher


© Wolfgang Sacher, 07.08.2006

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