Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Elisabeth Herms-Lübbe zum 50 km des RLT Rodgau (02.02.2008) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Elisabeth Herms-Lübbe zum 50 km des RLT Rodgau:
Elisabeth Herms-Lübbe , 02.02.2008

Wieder einmal Rodgau


Wenn RLT Rodgau blaugrundig einlädt, kann man schwer widerstehen. Hängen doch so viele gute Erinnerungen an Rodgau. Und da sind die Leute, die man gern trifft. Zu den richtigen Leuten hier mal eine kleine Anekdote. Hans-Dieter Weisshaar, 100-Meilen-Sammler und -veranstalter, hat vor Jahren auf die Frage meines Mannes, warum er das denn täte, etwas überrumpelt spontan geantwortet: „Wegen der Leute“. Recht hat er. Das Laufen kommt – na ja, fast – von selbst, Routine, das klappt schon irgendwie, aber auf die Leute freue ich mich immer. Das tun wohl viele. Die haben alle das Gleiche vor, das reißt mit, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter.

Zuerst die Startnummernausgabe. Ruckzuck, eine Flasche Trinkjogurt gab es zu, die sah aber nur so aus, war dann doch kein Jogurt drin. Viele Läufer bekamen eine hübsche Schirmmütze. Die hatten sich rechtzeitig angemeldet. Ich leider nicht. Die Mützen waren nicht ganz rodgaublau, sondern eher milkalila. Womit wir bei Schokolade sind. Warum werden eigentlich nicht einmal Schokoladenfirmen um Sponsoring von Ultramarathons gebeten? Haben sie doch eine verträgliche Powernahrung zu bieten, besser als vorgetäuschter Trinkjogurt. Später am Verpflegungsstand gab es sie dann trotzdem. Wo es herzlich zugeht, gibt es meist auch Schokolade.

In der Halle waren Hunderte von Leuten versammelt. Den Eingang sah man kaum, denn Biergartensichtblenden stellen ihn zu. Wer hat denn das bloß erlaubt! Und das in Deutschland. Diesmal versperrt zusätzlich noch ein Auto mit einem Wassertank auf dem Anhänger der Eingang. Aber vertiefen wir das Thema besser nicht. Sowieso lag Panikstimmung in der Halle sehr fern.

Dieses Jahr war ich mit einer Lauffreundin aus Kassel angereist. Es war ihre erste Teilnahme an einem Ultramarathon. Ihre ersten Eindrücke: Hohe Frauenbeteiligung, hoher Altersdurchschnitt. Selbst der Ukrainer, der nachher Sieger werden sollte mit bravourösen 3:08, hatte der nicht auch graumelierte Haare?

Im Umkleideraum vor der Frauendusche gab es ein herzliches Wiedersehen mit altbekannten Ultramarathondamen. Wir redeten, zogen uns um, tauschten Neuigkeiten aus und ich machte meine Mitreisende mit ihnen bekannt. Aber ach, Panne! Da hatte ich etwas falsch gemacht. Wir waren ja gar nicht ordentlich bekleidet. Mir ist das ja gleich, wenn es stimmig ins Umfeld passt und man respektvoll miteinander umgeht. Aber man darf nicht davon ausgehen, dass sich jeder halb oder gar nicht bekleidet locker und normal fühlt. Dazu noch eine Anekdote. Kürzlich sprach ich mit einer Dame, die für englischsprachige Zeitungen über Deutschland schreibt; ihr Hintergrund ist katholisch und bürgerlich amerikanisch. Sie wurde einmal aufgefordert, eine deutsche Therme zu besuchen und darüber zu schreiben. Als sie drin war, wurde ihr klar, dass sie mit den anderen Gästen ihre Kleidung ablegen musste. Da sei sie sehr erschrocken gewesen und habe lieber das Weite gesucht.

Dann kam der bekannte, ziemlich weite Weg über die Brücke zum Start. Dort war ein großes Gewimmel, denn es wird jedes Jahr voller in Rodgau, dieses Jahr waren über 800 Starter da. Aber es gab wenig Hektik, schon gar nicht im Hinterfeld. Die Moderation machte Gabi Leitner (Frau Werwolf); im letzten Jahr hat sie noch selbst ihre Runden gezogen.

Ja, dann die Strecke. Die ist so, wie sie ist, eben Rodgau, flach, unspektakulär, aber abwechslungsreich. Meine Freundin hat sie sehr gelobt wegen der optischen Vielfalt und wegen des Untergrundes, der immer ordentlich fest ist, mal Asphalt, mal kein Asphalt.

In der Ferne sah man zwei Kühltürme eines Kraftwerkes. Da dachte ich an das Werbeplakat der Grünen, auf dem solchen Kühltürmen Korken aufgesetzt waren. Denn es war ja gerade noch Wahlkampf zur Hessenwahl. Wir waren auf leichtem Boden unterwegs, rechts ein Spargelfeld. Das ist wohl altes Kulturland. Seligenstadt ist nicht weit, und Seligenstadt mit den Ländereien herum hat Karl der Große seinem Lieblingsberater Einhard als Alterssitz überlassen. Das kann ja nichts Schlechtes gewesen sein. Es gibt Seligenstadt, es gibt Heiligenstadt und es gibt Heiligenstedten. Da muss überall einmal nachdrücklich christianisiert worden sein. In letztem Ort, auf dem Friedhof, werde ich eines hoffentlich noch sehr fernen Tages meine letzte Ruhe finden. Ach, weit weg, denn der Rodgauer Winterrundlauf hat irgendwie etwas Zeitloses, weil es dort immer ziemlich gleich aussieht: es blühen die Weidenkätzchen, man könnte meinen, dort sei immer Winter, die Zeit stünde still.

Wieder wurde ich überholt ohne Unterlass: Gelegenheit, die Läufer von hinter zu betrachten und mich dem Thema Mode zuzuwenden. Neu waren für mich die Höschen, die – zumindest im Winter – über die Laufhosen gezogen werden und die den Unterleib wärmen, aber deren Hauptzweck es ist, viele Taschen zu haben, und zwar hinten unterhalb des Taillengummis. Da können dann Autoschlüssel, Kreditkarte, Papiertaschentuch und Geld hinein. Ich packe ja jetzt immer meine Geldscheine in Plastik ein, wenn ich laufe. Einmal, beim Nachtmarathon von Marburg, der an ziemlich vielen Tankstellen vorbei führt, sah ich die Spritpreise schon während des Laufes dramatisch ansteigen. Dann gab es auf meinem Heimweg noch eine Tankstelle mit „billigem“ Sprit, was ich sofort ausgenutzt habe. Peinlich, denn ich musste mit von mir selbst völlig durchgeschwitzten Geldscheinen bezahlen.

Ansonsten alles beim Alten. Auch einige der übermäßig gemusterten Laufantiquitäten aus den 80er-Jahren wurden wieder ausgeführt. Ich hatte mich zu warm angezogen und entledigte mich meiner Jacke, sodass ich zeitweilig kurzärmlig war. Ein besorgter Organisator fragte mich da, ob das denn so richtig sei. Na ja, ein bisschen kalt war es schon.

So verging die Zeit, in jeder Runde schien die Sonne anders, nachher wurde es leer auf der Strecke. Als die sechs Stunden dabei waren abzulaufen und ich die gewünschten 50 km noch nicht absolviert hatte, erfuhr ich, dass es einigen anderen Läufern ebenso ging. Die wollten aber dabei bleiben und die Zeit überziehen. Das hätte ich ja auch machen können. Aber ich hatte keine Lust mehr. Martina Hausmann, deren Lauftalent immer erst nach einigen Tagen Dauereinsatz zu strahlen beginnt, hat mir einmal erzählt, sie hätte mit ihrem Mann darüber gestritten, ob „keine Lust mehr“ ein ausreichender Grund zur Aufgabe sei. Für Martina natürlich nicht, aber ich habe mir das gegönnt, doch mich hinterher geärgert. Sehe ich es doch als meine Aufgabe an, das Hinterfeld zu stärken und den jeweiligen Veranstaltungsrahmen nach unten zu erweitern helfen, damit meinesgleichen und ich auch noch in Zukunft hineinpassen. Nächstes Jahr bin ich besser, zäher. Und nächstes Jahr ist zum zehnten Mal „Rodgau“. Die Veranstalter wollen sich etwas Besonderes dafür einfallen lassen. Freuen wir uns darauf.






© Elisabeth Herms-Lübbe, 02.02.2008

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