Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Jürgen Hoffmann zum Lauftage 100 KM Biel-Bienne (17.06.2008) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Jürgen Hoffmann zum Lauftage 100 KM Biel-Bienne:
Jürgen Hoffmann , 17.06.2008

100 Jahre in Biel = 50 Jahre Biel + 50 Jahre funRunny

Natürlich musste ich zu so einem Termin nach Biel, Jubiläum! Und ich hatte auch eins, genauso alt wie der Bieler 100er. Eigentlich wollte ich in dem Jahr wo ich 50 werden sollte den New York Marathon laufen und anschließend mit meiner Frau und der Harley auf der Route 66 zur Westküste fahren…1. kommt es anders und 2. als man denkt. Marathon laufen kann man auch später noch, es musste ja nicht der Abzocker in NY sein, außerdem hatte ich gar nicht soviel Urlaub und auf einem Motorrad hatte ich seit 22 Jahren nicht mehr gesessen. Biel passte da als Alternative genau.

Deshalb im Januar schon gemeldet damit es kein zurück gibt und fleißig trainiert, ich wollte mich beim Jubiläum nicht quälen… 1. kommt es anders und 2. als man denkt. Nach dem 50 Km Westerwaldlauf am 1. Mai bekam ich das Schienbeinkantensyndrom, in Läuferkreisen auch als shin splint bekannt. Stimmung am Boden, Training unterbrochen, aber Biel nicht abgeschrieben, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Das habe ich in meiner kurzen Ultra-Lauf-Karriere schon gelernt. Nachdem die Schmerzen weg waren, wieder leichtes Training und zwei Wochen vor Biel ein Belastungstest mit > 130Km in der Woche. Schmerzfrei, Jubel, Biel wird gelaufen! Die Vorfreude stieg wieder, erst recht, als am Tag vor Biel die Festschrift zu Werner Sonntags 80. Geburtstag „Irgendwann warst Du in Biel“ ankam.

Meine sieben Sachen waren schnell gepackt und schon abends im Auto verstaut. Am Freitag fuhr ich um 9:30 Uhr los in Richtung Schweiz, es fluppte und ich war schon um 14:00 Uhr in Biel. Wahrscheinlich ergatterte ich einen der letzten Parkplätze in unmittelbarer Nähe zur Eishalle, toll, nur 150 Meter bis zum Duschzelt. Beim ersten Rundgang traf ich diesmal nicht zuerst auf Bernhard Sesterheim, sondern auf Mattin Becker, die üblichen Verdächtigen sind halt überall. Bernhard habe ich natürlich auch getroffen, genau so wie Professor Dr. Schneggi und den Yogi Jörg Schranz.

Die Zeit bis zum Start vertrieb ich mir mit Wasser trinken, Nudelsalatessen, Pinkeln gehen, Startunterlagen holen, lesen in „Running Emotions“ und vergeblichen Schlafversuchen. Das Wetter schien zu halten und es herrschten noch angenehme Temperaturen. Um 20:00 Uhr begann ich mit den Laufvorbereitungen, Gürteltasche packen, Brustwarzen abkleben, Penaten schmieren und Laufklamotten anziehen (ha, alles auf dem Bürgersteig, war was für Voyeure). Inzwischen war ein recht kühler Wind aufgezogen und die Temperaturanzeige im Auto war auf 14,5°C gesunken. Lieber noch ein kurzes Laufhemd unter das Lange und die Windjacke eingepackt. Schon mal probeweise zum Start, wieder zurück und auch noch Handschuhe eingepackt, ich fror jetzt schon und musste zwischen 21:15 Uhr und 21:45 Uhr zweimal pinkeln gehen. Im Startkanal traf ich diesmal keinen Bekannten und so startete ich gedankenversunken im Pulk der vielen erwartungsfrohen Läufer in die Nacht der Nächte.

Wie immer bei solchen Großveranstaltungen mit mehreren tausend Teilnehmern, trifft man genau die paar Bekannten vornehmlich beim Laufen. Nach 2 Km überholte ich nach einem kurzen Plausch Wilhelm Mütze, den ich schon von weitem an seinem unnachahmlichen Stil erkannte. An der Stadtgrenze von Biel überholte mich dann „Affenzahn“ Thomas Radzuweit aus Hamburg, er hatte noch keine geraucht, aber der Lauf hatte ja auch gerade erst begonnen. Wir sprachen über den diesjährigen Dodentocht, aber bald musste ich Ihn ziehen lassen, er hatte einen „Affenzahn“ drauf. Nur Minuten später lief Jörg Segger aus meinem Neusser Nachbarort Gierath an mir vorbei. Wir liefen bis zur Steigung nach Jens zusammen, dann musste ich auch Ihn ziehen lassen.

In der Stadt selbst war es windstill, noch schön warm und ich klatschnass geschwitzt. Auf der Höhe von Jens allerdings dann wieder kühler Wind und ich fror schon wieder. Die Jacke und die Handschuhe benutzte ich aber nicht, hatte mich geschämt, andere liefen halbnackt. Inzwischen war es schön dunkel und man konnte die Nacht genießen, denn die Fahrradbegleiter waren noch nicht dabei. Leider hatten aber schon viele LäuferInnen ihre Stirnlampen eingeschaltet, meines Erachtens völlig blödsinniger Schnickschnack, jedenfalls bei Km 10 in Jens! (Auf dem Emmendamm zwischen 3:00 Uhr und 5:00 Uhr durchaus ok).

Ich lief ruhig und gleichmäßig, dachte an meinen letzten Bieler und lauschte ständig nach meinem Knie und den Schienbeinen, alles ruhig. An den Verpflegungsstellen nahm ich immer nur Wasser und Brot, ich fühlte mich großartig und genoss die prächtigen Kulissen von Aarberg und Lyss, erfreute mich an den schönen Bauernhäusern und den feiernden, uns Läufer anfeuernden Zuschauern. Auf der unendlichen Geraden nach Oberramsern hatte sich der blinkende Läufer- und Fahrradwurm so auseinander gezogen, das ich schön entspannt laufen konnte, das war 2005 ganz anders und ätzend. In Oberramsern war arges Gedränge an der Verpflegungsstation, egal, es ging ja nicht um Sekunden (noch nicht) und die warme Bouillon tat gut. Hier traf ich dann Mattin wieder, er war nicht gut drauf und fast dachte ich, er würde aufgeben, aber da kennt man den Mattin schlecht, bald war er mir voraus und von mir nicht mehr gesehen.

Ab Km 40 dann das Gleiche wie 2005, Schwindel, Schwanken und ein Zustand wie besoffen. An einer Dehydrierung konnte es nicht liegen, was war es? Ich denke es waren die zuckenden Stirnlampen die beim Bergaufgehen die Schwindelgefühle hervorbrachten, sobald ich lief war es gut, also Schluss mit Gehen, ab jetzt wurde nur noch gelaufen. An jeder Station zur Sicherheit jetzt immer einen Becher Cola und dann die Bouillon, es hatte sich bewährt und tat auch jetzt wieder Wunder. Im Wald nach den 45 Km wurde ich dann von einer Fahrradbegleiterin angefahren, Gott sei Dank niemandem etwas passiert. Schnell war das 50 Km Schild vorbei, der Morgen erwachte und in Kirchberg war es fast hell. Jetzt nur noch ein schlapper Marathon mit ein bisschen Auslaufen.

Der Ho-Chi-Minh-Pfad konnte jetzt bei diesen Lichtverhältnissen gut gelaufen werden, er kostete mich allerdings eine Menge Kraft, da ich wegen meines Knies sehr vorsichtig lief und immer auf alles gefasst war. Leider gab es auf dem unbewaldeten Teil des Emmendamms keinen schönen Sonneaufgang wie 2005, es wurde einfach hell und basta. Im Kopf spielten sich nun seltsame Dinge ab, körperlich ging es mir gut und das Hirn wollte nun die Zielzeit von 2005 wieder erreichen, aber 1. kommt es anders und 2. als man denkt. Ausgeschlafen und ohne Endorphine im Balg würde ich sagen totaler Quatsch und völlig unrealistisch, aber ausgeschlafen war ich nicht und die Endorphine machten Headbanging. Bald war Gerlafingen erreicht und das 70 Km Schild passiert. Ich lief und unterhielt mich nun mit einem Laufbekannten mit dem ich schon in Troisdorf bei den 6 Stunden einige Runden gedreht hatte, er betrachtete diesen 100er als Trainingslauf für die Balaton-Umrundung an der er demnächst teilnehmen wird. Bei Km 72 nach der allseitsbekannten Bäckerei fielen meine Endorphine plötzlich in die Beine, wurden schwer wie Blei und ich musste den netten älteren Laufbekannten laufen lassen.

Was nun, noch 25 Km leiden, gehen, noch mehr leiden? Um 18:00 Uhr gab es zu Hause Abendessen! Wir Westerwälder sind zwar ziemlich anspruchslos, leidens- und anpassungsfähig, aber auch genau so unbeugsam. Nun war es Zeit für die „Toten Hosen“ und „die Ärzte“ (Außenstehende würden uns Ultras die letzteren sowieso empfehlen). Die Wirkung setzte auch bald ein und ich lief wieder wie in Trance, der Kopf befahl, ich sang die Texte innerlich mit und die Beine liefen einfach. Den Berg in Bibern ging ich und spürte nun meine brennenden Oberschenkel, oweia, den Berg musste ich auch wieder runter, das gab den Beinen den Rest. Ich musste einen Kilometer gehen bevor überhaupt wieder an laufen zu denken war.

Jetzt kam das lange staubige Stück an der Aare entlang, in der prallen Sonne! Das wollte ich schnell hinter mich bringen, „Unsterblich“ von DTH brachte mich wieder zum Laufen. Bis Büren hielt ich durch, dann kurze Gehpausen und längere Laufphasen, oh Wunder es lief wieder und zwar immer besser. In Pieterlen noch mal tüchtig getrunken, den MPS auf „Dopamin“ gestellt und tatsächlich zum Endspurt angesetzt. Jetzt konnte ich endlich wieder überholen. Bei Km 96 sagte ich Jörg Segger dass es mich noch gäbe und war auch schon vorbei. Ich quälte mich jetzt richtig und hielt den Endspurt bis zum Ziel durch, vorher habe ich mir aber noch die Zeit genommen, das wohl am meisten fotografierte Kilometerschild bei KM 99 ebenfalls auf den Chip meiner Canon zu bannen.

Die letzten 100 Meter auf der Zielgeraden: es waren nur noch 35 Sekunden bis Halb (wäre zwar total egal, aber in dem Zustand musste es einfach sein), also volle Pulle Sprint, belohnt durch johlende Zuschauer. Egal wie verrückt, aber geschafft, zwar fast eine Stunde länger gebraucht als 2005, 1. kommt es anders und 2. als man denkt.
Im Ziel dann mit tränenüberströmten Gesicht, nein, nicht vor Freude wie in 2005, auch nicht vor Schmerzen, sondern ganz banal wegen Allergie. Aber das wussten die Zuschauer im Ziel ja nicht.

Ich bin anschließend sofort in die Eishalle um die Reliquien zu empfangen, oh Graus, lange Schlangen. Ich stellt mich an, aber kurze Zeit später wurde mir schwarz vor Augen, gerade noch rechtzeitig konnte ich mich auf eine Bank retten, sonst hätte ich den Läufern vor mir vom LC Duisburg erst meinen Mageninhalt präsentiert um Ihnen dann vor die Füße zu fallen.

Nach dem Duschen fühlte ich mich wieder prächtig und hatte mordsmäßigen Hunger. Ich aß meine Kühlbox im Auto leer und begab mich auf die Heimfahrt. Ja ich weiß, unverantwortlich, gefährlich, lebensmüde, gemeingefährlich…! Nein, ich mache das immer so. Schlafen geht nicht, habe ich alles schon probiert, ich bin nach solchen Läufen so aufgekratzt und voll konzentriert, das ich das verantworten kann.

Um 17:30 Uhr war ich zu Hause im Westerwald, habe mein verdientes Hachenburger Pils getrunken und pünktlich um 18:00 Uhr am Abendessen gesessen. Um 23:00 Uhr rief das Bett dann so laut, das ich nicht widerstehen konnte.

Fazit: Der fff (fette fuffzichjährige funRunny) hat sein Jubiläum und das von Biel gefeiert, trotz der Widrigkeiten in der Vorbereitung mit einer für mich durchaus passablen Zeit. In Biel laufe ich noch mal, mit 55, mit 60, mit 65….

Jürgen (funRunny) Hoffmann, Neuss am 17.06.2008


© Jürgen Hoffmann, 17.06.2008

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