Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Frank Hildebrand zum Harzer Adventure 100er (13.04.2009) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Frank Hildebrand zum Harzer Adventure 100er:
Frank Hildebrand , 13.04.2009

Im Schnee versunken

Harzer Adventure 100er

100 Meilen am Stück in schöner Landschaft wollte ich ja schon lange laufen. Außerdem träume ich ja immer noch vom UTMB und da kann es nicht schaden, wenn ich schon mal die nötige Qualifikation vorweisen könnte.
Nur die passenden 100 Meilen Läufe wachsen auch nicht auf den Bäumen. Da kam mir vor ein paar Monaten die Ankündigung von Carsten Mattejiet ganz recht. 100 Meilen im Harz, ca. 5100 Höhenmeter - nur die positiven natürlich, drei große Runden - alle unterschiedlich lang und auf unterschiedlichen Strecken und das ganze auch noch als Selbstversorgerlauf mit Rucksack.

Soweit so gut. Zur Vorbereitung habe ich ja meine bekannte Strecke rund um Hattingen, 62 km, ca. 1700 positive Höhenmeter. Die bin ich auch das ein oder andere Mal gelaufen, wegen des langen Winters seltener als ich wollte, aber immer noch ausreichend.

Bis zwei Wochen vor dem Lauf hatte ich mir überhaupt keine Gedanken um die Wetterbedingungen vor Ort gemacht. Dann bin ich auf die Brockencam gestoßen und fast vom Stuhl gefallen. 230 cm Schnee auf dem Brocken. Na das kann ja heiter werden. Aber was sollte ich machen, der Lauf war angemeldet, die Jugendherberge für die Nacht vorher gebucht, dann muss ich eben dahin.
Die nächsten Tage habe ich dann auch täglich die Schneelage kontrolliert und es waren bis zum Mittwoch immer noch über 1,30 Meter Schnee am Brocken, aber es sollte warm und trocken sein - na klasse, im Shirt ohne Jacke durch den Schnee stapfen.

Außerdem immer wieder die Frage, was packe ich in meinen Rucksack. Diese Frage habe ich sogar ins Forum beim Steppenhahn gestellt und einige sehr kreative Anregungen bekommen - wie zum Beispiel Scho-ka-kola als relativ temperaturunempfindlicher Energielieferant.

Am Abend vorher dann eine letzte Einweisung von Carsten. Den größten Teil der Strecken ist er selber schon abgelaufen, nur den Westzipfel der ersten großen Runde, die Gegend um die Hanskühnenburg, hat er nur mit der Wanderkarte ermittelt. Kontrollen finden in Form von Stempelstellen statt. Jeder bekommt eine Stempelkarte, auf Wunsch auch ein Stempelheft der Harzer Wandernadel, nur wer alle 32 Stempel hat, ist die Strecke auch gelaufen und bekommt eine Urkunde.
Vor den Wetterverhältnissen hat er uns gewarnt, überall lauern Eisplatten, teilweise tiefer Schnee. Seine persönliche Einschätzung: Es wird höchstens zwei Finisher geben. "Ach was der nur hat", denken wir. Außerdem empfiehlt er uns dringend in Gruppen zu laufen, der Weg ist natürlich nicht beschildert und unsere Karten beschränken sich auf drei einlaminierte Din A4 Blätter.

Um 20:00 Uhr liege ich schon im Bett. Müde genug bin ich. Ab 0:00 bin ich dann ständig wach, die Aufregung, bloß nicht verschlafen. Um 3:15, gerade als ich wieder eingeschlafen bin, schellt der Wecker. Erst mal wach werden, Laufsachen anziehen, 'ne Banane und 'n Saft als Frühstück, dann räume ich das Zimmer.
Mit etwas Verspätung geht es um ca. 4:15 los. Der Prolog ist ein Spaziergang, bloß über die Brockenstraße ein Mal auf den Brocken und wieder zurück. 20 km und etwas mehr als 600 Höhenmeter. Hoch marschieren wir die meiste Zeit, oben gönnen wir uns noch den Umweg einmal um den Brockenstein, schnell zur Stempelstelle und dann laufen wir runter. Gut 2 1/2 Stunden und wir sind wieder am Auto, wo wir unsere Rucksäcke für die erste Runde packen.

Carsten meinte wir können unsere Flaschen unterwegs an Quellen auffüllen, daher nehme ich nur 1,5l Wasser und die gleich Menge Cola mit. Dazu eine Auswahl kalorienreicher Fressalien, wie z.B. Brotchips, Weingummi und Waffeln. Muss reichen, zum Abendbrot zwischen 17:30 und 19:00 wollen wir ja wieder in der Jugendherberge sein.

Nach den ersten Metern auf einer "Wanderstraße" sind wir sogleich auf Eis und im Schnee. Der Altschnee trägt uns teilweise recht gut, sodass wir nur 5-10 cm einsinken, teilweise sinken wir aber mit jedem 5ten Schritt ganz ein.
Recht schnell finden wir uns in einer Gruppe von sieben, später fünf Läufern plus Freyja, der Huskyhündin, zusammen. In dieser Besetzung bleiben wir auch bis in die Nacht zusammen. Erstmal geht es bergauf bis auf über 900 Meter. Mit den Höhenmetern wird auch der Schnee mehr. Dazu wird es aber auch wärmer, sodass wir bald unsere Jacken im Rucksack verstauen. Mit der Wärme taut der Schnee aber auch immer schneller. Teilweise sind die Wege, wenn sie denn schneefrei sind, bis zu fünf cm mit Wasser bedeckt. Außenrum geht nicht, also ab ins Eiswasser und durch! Vom Schnee sind die Schuhe und Füße sowieso schon nass, da kommt es darauf auch nicht mehr an.

An der Wolfswarte, einem wunderbaren Aussichtspunkt, halten wir kurz an und machen ein paar Fotos. Veranstalter Carsten hatte sich ein Foto vom Marathonhund auf dieser Felsformation gewünscht. Wird er wohl von Freyjas "Papa" ;-) bekommen. Schon nach diesen ersten 15 km der ersten Runde wird uns klar, das Abendessen können wir abhaken. Wir kommen kaum vorwärts, der Schnee ist einfach zu tief. Das kann ja noch heiter werden...

Am Okerstein müssen wir aufpassen, meinte Carsten vorher, dort ist ein Abzweig, den man gerne übersieht. Carsten hat aber aus einem dünnen Fichtenstamm (hat er die extra gefällt?!?) und zwei Ästen einen Pfeil als Wegweiser für uns ausgelegt. Der Weg dahinter einfach nur toll. Single Trail wie man ihn sich vorstellt, ausnahmsweise nahezu schneefrei. Wir hüpfen von Stein zu Stein da runter, das letzte Stück fast im 45 Grad Winkel - zumindest gefühlt. Danach wieder das übliche, Schnee, Eis, Eiswasser, Schotter immer wieder im Wechsel. Spätestens wenn man meint, die Füße sind fast trocken gibt's das nächste Schneefeld oder die nächste Bachdurchquerung.

Kurz vor der Hanskühnenburg wird bei bei uns langsam das Wasser knapp. Martin testet an einem kleinen Wasserfall das sauber aussehende Wasser an. In der Flasche ist es doch eher bräunlich. Ist wohl schon 'ne weile durch den Waldboden geflossen. Wo sind denn nur die von Carsten versprochenen Quellen?!?! Wir hoffen lieber auf die Hanskühnenburg, dort ist eine Gastronomie ausgeschildert. Dort angekommen führt der erste Weg zu den Toiletten, dort ein großes Schild: Kein Trinkwasser! Mist!! Erstmal ein Radler, dann sehen wir weiter. Wir bestellen Getränke für uns fünf und fragen nach Wasser. Der erste von uns bekommt eine große Flasche Wasser in seine Flasche umgefüllt. Leider war es die letzte. Ich frage nach Kranwasser, wir haben ja schließlich auch für etwas Umsatz gesorgt. Die sehr hilfsbereite Frau auf der anderen Seite des Tresens überlegt kurz. Eigentlich ist das nicht möglich. Das Wasser kommt immer mit dem Tankwagen zur Burg und es dauert noch bis der nächste Tankwagen kommt. Trotzdem füllt sie uns unsere Flaschen, es bleibt ja unter uns ;-))

Wir dachten wir wären die letzten, aber hinter uns kommen doch noch zwei Läufer, als wir gerade aufbrechen wollen. Wir wechslen noch ein paar Worte und sind dann weg. Es geht bergrunter bis auf ca. 500 Meter, kein Schnee mehr, nur noch Wärme. Dafür kommt jetzt das Stück, das auch Carsten nur von der Karte kennt. Trotz unserer "ausführlichen" Karte und zweier GPS Geräte mit unterschiedlichen Karten haben wir derbe Probleme uns zu orientieren und die nächste Stempelstelle zu finden. Ständig müssen wir stehenbleiben und erst mal beraten wo es denn hingehen könnte. Wo sind denn nur die autobahnschildgroßen Wegweiser, die Carsten uns versprochen hatte?!?!?

Auch dieses Hindernis meistern wir trotz erheblichem Zeitverlust. Inzwischen stufen wir den Lauf nicht nur als Abenteuerlauf - wie ausgeschrieben - sondern auch als Orientierungslauf ein. Sowas haben wir alle noch nicht erlebt.

Der Wanderweg soll an Altenau vorbeigehen, wir biegen aber zu früh ab und stehen etwas später fast an der Stadtgrenze, dazu noch 100 Höhenmeter zu niedrig. Mist, wie kommen wir jetzt schnellstens auf den Weg zurück ohne zurücklaufen zu müssen?? Von den Passanten können die wenigsten weiterhelfen, die kommen alle nicht von hier, auf der Karte können wir nur ahnen wo wir gerade sind und die beiden GPS-Geräte helfen auch nur bedingt, weil die Wanderwege naturgemäß nur unvollständig enthalten sind. Wir schaffen es aber irgendwann trotzdem - wieder mit Zeitverlust.

In Oderbrück - es dämmert schon - ein Rufen. "Braucht Ihr ein Taxi?!?" Carsten erwartet uns dort schon und bietet uns den Rücktransport zur Jugendherberge an. Alle anderen die vor uns waren sind ausgestiegen. Wir sind noch frohen Mutes und wollen weiter. Ein paar Meter weiter stehen wir aber schon im Dunkeln. Zwei von uns fünf, darunter auch ich, haben die Stirnlampen im Auto gelassen, weil wir ja bloß 65 km zu laufen hatten auf dieser Runde.

Niemand hat damit gerechnet, im Dunkeln anzukommen. Immerhin habe ich noch eine Stablampe dabei. Nur ist die dummerweise wohl im Rucksack angegangen und die Batterien sind leer. Für die Stirnlampe hätte ich Ersatzbatterien.
Andrees Lampe ist zum Glück stark wie ein Suchscheinwerfer (von welchem Hersteller ist die? die brauche ich auch!!) und er sorgt für genug Licht für uns beiden Halbblinden.

In der kompletten Dunkelheit beraten Andree und ich über die Gefahren, die ein nächtliches Weiterlaufen bietet. Glatteis, Schnee, unter dem Schnee Steine oder Wasser. Wie schnell kann man sich unter solchen Umständen verletzen, an Rettung ist nachts kaum zu denken. Bei den anderen Dreien zeigt die Anstrengung der letzten Stunden noch größere Spuren als bei uns.

Wir beraten gemeinsam und beschließen auf den letzten Kilometern von der Strecke abzuweichen um möglichst schnee- und eisfrei zu laufen. Dabei wollen wir dann wenigstens noch 100 km vollmachen. Wir informieren Carsten per Voicemail von unserem Plan und hoffen, dass er seine Mailbox auch abhört.

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz

100 Meiler im Harz



Der 19-jährige Martin kommt auf den letzten Kilometern kaum vorwärts. Er scheint wohl heftige Blasen unter den Füßen zu haben und kann nur unter großen Schmerzen laufen. Hut ab aber vor dieser Reife, die wenigsten Ultraläufer wären in seinem Alter zu einer solchen Leistung in der Lage gewesen. Da wir uns entschieden haben in jedem Fall die Gruppe zusammenzuhalten, warten wir alle paar Meter auf ihn, wir versuchen, alle in Sichtweite zu bleiben. Das hat natürlich zur Folge, dass wir alle völlig auskühlen.

Nach 22 Stunden erreichen wir endlich die Autos, ich kann gar nicht so schnell zittern wie ich friere. Ich will nur noch, dass das Auto warm wird. Leider bringt es bei meinem 3-Liter-Auto gar nichts, den Motor im Stand warmlaufen zu lassen. Einen Schlafsack habe ich auch nicht dabei. Bleibt also nur noch eine leider völlig überstürzte Verabschiedung von meinen Mitläufern und schnell die ersten Kilometer hinter mich bringen, damit der Wagen warm wird.

Mein Fazit:
Selbst bei besseren Bedingungen ist dieser Lauf nur in der Gruppe zu schaffen. Die Gruppe, die sich hier gefunden hat, war nahezu perfekt zusammengesetzt. Ohne Schnee und Eis hätten wir es sicher zusammen geschafft, so sind wir alle auf der Strecke geblieben.
Eine 65km Runde auf einer Din-A4 Seite darzustellen ist nicht die beste Lösung. Beim nächsten Mal (wenn es denn eins gibt) werde ich doch noch zusätzlich die 14 Euro für ausführliche Wanderkarten investieren.
Und am wichtigsten:
Verlass Dich nicht auf Dein Glück. Auch wenn es zusätzliches Gewicht bedeutet, genug Wasser und die Nachtausrüstung muss dabei sein!!

Wenn es eine Wiederholung gibt, bin ich wieder dabei!!

© Frank Hildebrand, 13.04.2009

Weitere Info's und Berichte zum Lauf:


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