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Christian Stolovitz zum 12 h Lauf in Vogau (10.06.2006) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Christian Stolovitz zum 12 h Lauf in Vogau:
Christian Stolovitz , 10.06.2006

Unternehmen 12-Stundenlauf (Vogau)

Die Bekanntgabe, mein Vorhaben zu verwirklichen, an einem 12-Stundenlauf
aktiv teilzunehemen, war für einige meiner Bekannten die offensichtliche
Ausgeburt meiner sich schon länger ankündigenden Geisteskrankheit.
Diese Ansicht konnte ich glücklicherweise nicht teilen.
Ganz im Gegenteil, mein Gehirn arbeitete klar wie selten zuvor.
Die physische Formkurve in den Wochen davor, bewegte sich steil nach oben.
Also sollten die Weichen, für die Erreichung meines persönlichen Zieles in die
richtige Richtung gestellt sein.
Dennoch, ein Unternehmen dieser Art hängt von vielen Faktoren ab.
Einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg, leistet das Betreuerteam.
Die tragende Säule meiner Psyche sollte wieder einmal meine wettkampf-
erprobte Gattin stärken.

Guter Dinge trafen wir am Vorabend des Wettkampftages in der lieblichen
südsteirischen Gemeinde Vogau ein. Die gute Beschilderung zur Start-
nummernausgabe und die herzliche Begrüßung des Organisators (Didi)
ließ schon im Vorfeld eine perfekte Organisation der Veranstaltung erahnen.
Der für uns reservierte Labstellenplatz an der Laufstrecke, lag zu unserer
Freude wunderschön im Grünen. Nachdem wir das Camp aufgebaut hatten,
begaben wir uns auf die Suche nach einer Gastwirtschaft. Das traditionelle
Kohlenhydrate schlemmen, am Vorabend des Wettkampftages war und ist
ein unverzichtbares Ritual.
Der Zufall führte uns zu einem Gastwirt, der selbst schon einige Marathon-
läufe in den Beinen hatte. Nach kurzem Erfahrungsaustausch, verschwand
der Meister der Kochkunst lächelnd in seiner Küche und zauberte uns in
Rekordzeit "Makkaroni a la bonne heure" auf den Tisch.

Mein Schlaf in dieser Nacht war tief und ruhig. Leichter Nieselregen leitete
den Morgen ein. Einige Bekannte kreuzten meinen Weg. Alle sehr gut
gelaunt und freundlich. Eine wilkommene Abwechslung zu den hektischen
und teils agressiven zwischenmenschlichen Kontakten im Berufsalltag.
Die Stimme des Platzsprechers hallte durch die frische Morgenluft.
Noch ein Küsschen meines Coachs, ein treuer Blick unseres Vierbeiners
und schon begab ich mich zur Startzone.
Der Aufwand den das Organisationsteam auf sich genommen hatte, um
das Start/Ziel-Gelände so ansprechend wie möglich zu gestalten, war
enorm. Die Reichhaltigkeit der Auswahl an der Labstelle. sprengte alle
mir bekannten Dimensionen einer solchen. So manches Hotelbuffet hätte
dagegen sehr arm ausgesehen.
Schräg gegenüber das hohe Podium der Rundenzähler/innen. Dort sollte
im Laufe der Veranstaltung noch "Tour de France"- Stimmung aufkommen.
Anschließend der studioartige Wagen des Platzsprechers. Ich nützte noch
kurz die Gelegenheit, mich bei meiner hochmotivierten Rundenzählerin
bekannt zu machen. Da ertönte auch schon die Aufforderung des Sprechers,
dass sich die Teilnehmer hinter die Matten der elektronischen Zeitnehmung
begeben mögen. Kaum geschehen, wurde auch schon der Countdown
heruntergezählt.
Das Startsignal ertönte. Die meisten Läufer begannen, quatschend und
kichernd in langsamen Tempo zu Traben - Zeit war ja ausreichend vor-
handen. Die länge des Rundkurses betrug etwas mehr als eintausend-
achthundert Meter. Es gelang mir von Beginn an ein angenehmes kraft-
sparendes Tempo zu Laufen, mich nicht von den schnelleren Staffelläufern
mitreißen lassen. Schließlich war es mein Ziel, erstmals hundert Kilometer
Nonstop zu laufen. Keinesfalls wollte ich den Lauf sabbernd und kraftlos
vorzeitig beenden müssen, und den Abend an einer Salzlösung hängend
im nächsten Spital verbringen. Einteilung ist bei so einem Unternehmen
meist schon der halbe Erfolg, diesbezüglich hatte ich mein Lehrgeld ja
schon in vergangenen Tagen bezahlt.
Die Laufstrecke führte uns durch die schöne ländliche Gemeinde.
Zahlreiche Betreuerzelte säumten den Straßenrand. Kinder trommelten
mit Begeisterung auf Ölfässer, Feuerwehrleute sicherten die für den
Straßenverkehre gesperrte Strecke, zwei kleine Mädchen waren uner-
müdlich damit beschäftigt das Grau des Asphalts mit bunten Kreide-
zeichnungen, wenigstens für diesen Tag zu beleben. Familienangehörige
und Freunde der Protagonisten mixten eifrig Zaubertränke für ihre Helden.
Alle Anwesenden waren in irgendeiner Form in das Geschehen involviert.
Mit Ausnahme einer Familie. Unberührt vom Geschehen um sich, waren
sie emsig Tätig, ihr Mittagsmahl im Garten des Bauernhauses zuzubereiten.
Dieses unterhaltsame Geschehen amüsierte mich einige Runden.
Eine leichte Brise trug den Duft der am Grill garenden Köstlichkeiten direkt
in meine Nase. Dieser Umstand stiftete den neckischen Philou in mir an,
der Frau des Hauses sie Frage zu stellen, ob der Tisch schon gedeckt sei.
Mit einer freundlichen Geste, lud sie mich ein im kreise ihrer Familie zu
essen. Ein ambitionierter Läufer wird verstehen, dass ich dieses verlockende
Angebot nicht annehmen konnte. Kein Verständnis dafür brachte mir aller-
dings die gastfreundliche Dame entgegen. Ich mußte alle Mühe aufwenden
ihr zu entfliehen.
Nach etwas weniger als sechs Stunden war ein Schuhwechsel geplant.
Um zwei Nummern größere, luftgedämpfte Böcke, sollten meinen Zehen
Erleichterung verschaffen. Ein weiser Entschluß, schon im Vorfeld, wie es
sich dann in der Praxis erweisen sollte. Schuhe geschnürt, Tomatensuppe
gegessen und weiter ging es. Nur ja keine Minute vergeuden. Beflügelnde
Worte meiner besseren Hälfte und ein verständnisloser Blick, unseres
nach dem Churchilprinzip lebenden Hundes begleiteten mich noch einige
Meter.
Der 6-Stundenlauf wurde pünktlich um 14:oo Uhr gestartet. Die Freude
war groß meinen Kumpanen Walter zu begegnen. Nach zahlreich erfolgreich
absolvierten Marathonläufen, zählte er an diesem Tage zu den Debütanten
auf der Ultralangstrecke. Nach anregender Unterhaltung, wählte Walter,
noch frisch und ausgeruht, ein schnelleres Tempo.
Wieder war ich mit mir alleine, aber nur für kurze Zeit. In der siebenten
Stunde ereilte mich ein Tief, welches einige Zeit mein unerwünschter
Begleiter bleiben sollte. Beim passieren meiner Labstelle, wo mich stets der
prüfende Blick meines Coachs verfolgte, galt es natürlich Haltung zu be-
wahren. Keinesfalls will man, auch noch nach zwanzig Ehejahren, als Jammer-
lappen seiner Angetrauten in Erinnerung bleiben. Auch an der Wechselzone
eines mich unermüdlich anfeuernden Damen-Staffelteams, waren die
Bemühungen groß, einen würdevollen Laufschritt zu bewahren. Naja, danach
war da noch der Start/Ziel-Bereich. Eigentlich überflüssig zu beschreiben,
dass ich auch hier meinen Jammer nicht ausleben durfte. Allen Bemühungen
zum Trotz, das Leiden zu verbergen, hatte ich das Gefühl mich mit der
Eleganz eines einhundert jährigen Elefanten fortzubewegen.
Doch jedem Tief folgt immer ein Hoch und so war es auch dieses mal.
Die personifizierte Form meiner Rettungsinsel war an diesem Tage Walters
Betreuer Geri. Mit fröhlicher Miene stand er am Streckenrand, und schwenkte
mir animierend eine Flasche Rotwein entgegen. Ohne viel zu überlegen, griff
ich zu. Ein kräftiger Schluck mobilisierte sofort verborgene Kräfte, und ich
lief wieder wie ein Schweizer Uhrwerk.
Die Erreichbarkeit meines persönlichen Zieles war in greifbare Nähe gerückt.
Das Schicksal leistete seinen Beitrag, um Walter und mich wieder zusammen-
treffen zu lassen. Geri hatte sich uns sofort angeschlossen. Als ich der ein-
hundert Kilometer Marke den Rücken zukehrte, waren beide noch an meiner
Seite. Es waren unvergessliche Momente, der Schmerz war vergessen, die
Beine wieder leicht. Nun war ich noch in der Lage eine Fleißaufgabe zu machen,
durch die Euphorie getrieben, noch einige Kilometer zurückzulegen.
Nachdem die Schlußsirene ertönte, hätte es meinetwegen sogar noch weiter-
gehen können. Wer weiß wie lange.

Manchmal keimt in mir der Gedanke, ob die zu Beginn meines Berichtes
genannten Zweifler nicht doch ein klein wenig Recht mit der Annahme hatten,
meine volle Zurechnungsfähigkeit in Frage zu stellen. Aber sollte es auch so
sein, was kann es schon schaden, wenn man sich dabei wohl fühlt.
Schließlich existieren ja noch extremere Zeitgenossen. Welche, die bei
minus 40 Grad Celsius durch die Einöde Alaskas oder bei plus 45 Grad Celsius
sieben Tage durch die Wüste laufen und dafür auch noch Unsummen bezahlen.
Apropos Wüste, nächstes Jahr.........








© Christian Stolovitz, 10.06.2006

Weitere Info's und Berichte zum Lauf:


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