Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Berichte - Ultramarathon beim Steppenhahn (09.2001)

Zufälliges Zitat

"Der Kopf will Ultra, die Beine aber wollen schneller laufen..."

Christian Soerensen, frei zitiert

Nächster Ultramarathon

Schon wieder keine Blumen! - und das, wo ich sie mir verdient hatte!

Hi everybody,

hier in epischer Länge der Bericht von den 75 km in Slowenien, die am 1.9. in Celje, einer Kleinstadt ca. 60 km östlich von Ljubljana starteten - wer jetzt nicht soooo laufbegeistert ist, dem verzeihe ich das querlesen :) Also: schön vorher im August noch drei mal drei Stunden gerannt und dann Dienstag (28.8.) über Wien nach Bratislava gereist, angucken und entspannen. Dito die next two days in Graz, und dann am 31.8. nach Slowenien und direkt nach Celje mit dem Zug.

Quartier bezogen und Startnummer geholt, knapp 200 Teilnehmer für die lange Strecke, davon 20-30 Frauen. Die Letztjahressiegerin hatte 7:21 gebraucht, und da der Lauf nur 400 Höhenmeter beinhaltet und ich beim Rennsteig (über 1000 Höhenmeter) 7:33 gebraucht hatte, dachte ich mir zumindest, dass ich unter den Ersten ?? landen würde, wenn dies Jahr nicht lauter Cracks angereist kommmen, weil der Lauf jetzt beim Europacup der Supermarathone integriert ist...

(Deutsche Frauen waren gar keine dabei, aber ca. 10 Männer aus Schwäbisch Gmünd und so). Schliesslich schien das kleine Tief aus dem Sommer beendet und ich eigentlich wieder recht fit.

Abends dann zweimal hintereinander vollgefressen, damit ich bei so einem langen Lauf schön viel zum direkt-noch-verbrennen habe, ohne das es noch im Magen liegt.

Dann früh um 5:00 hoch, nicht sooo gut geschlafen, aber die Nächte davor recht ordentlich. Kaffee getrunken, ein Stüllchen gemampft, mit Thommi telefoniert, der ja leider nicht dabei war, ausser täglich per Telefon. Die 3 Brötchen Proviant hinten ins Rad-Trikot gesteckt, die Kleidertüte fürs Ziel gepackt und abgegeben und zum 80 m entfernten Start gegangen - so nah am Start habe ich ausser in Helgoland noch nie geschlafen!

Start mehr oder weniger pünktlich, und innerhalb der nächsten 30 min wurde es hell. Zweimal um die Ecke gebogen, und schon lief man an einem netten, autofreien Weg am Fluss Slavija o.ä., dem man im Prinzip bis zum Schluss immer wieder folgte.

Die erste halbe Stunde eine rel. breite Strecke, aber dann ging es in einen Trampelpfad über, der mini und holprig war - aber ich war gut eingereiht bei Leuten, die mein Tempo liefen, daher alles easy.

Leichter Regen, alles nass, ganz verwunschen links der Fluss und rechts Felder, aber wegen des unebenen Bodens kann man eh nicht viel gucken ausser nach unten.

Geht so über viele km, auch mal runter unter ´ner Brücke durch etc. Ca. bei km 8 fängt richtiger Regen an, voll blöd - der hält sich auch zumindest so lange, bis es quatsch-quatsch macht bei jedem Schritt, weil die Füsse total nass sind. Geht dann aber irgendwann beides wieder weg, man entfernt sich ein bisschen vom Ufer, läuft durch Dörfer, findet wieder den Fluss und einmal geht es sogar durchs Flussbett, so dass ich kurz, alleine laufend, schon dachte, ich habe den Weg verfehlt.

Bei km 25 bin ich bei 2:13, also völlig o.k., und kurz hinter der 30 kommt man dann in ein offenes, sehr breitflächiges Tal, und jetzt wird die Landschaft noch schicker: im Hintergrund schwarze Berge mit Wolken davor (und ein klitze kleines Stück blauer Himmel), ein paar kleine Dörfer mit netten Kirchen, grüne Wiesen, gelb-braue Maisfelder, Hopfenfelder und orange Kürbisse, die auch noch ungeerntet herumliegen - wunderhübsch.

Noch fällt das Laufen auch ganz leicht, und bei km 35 bin ich angeblich bei 3:03 - das kann aber nicht sein, dass ich die letzten 10 km einen 5min/km-Schnitt gelaufen bin, so schnell laufe ich nicht auf eine solche Gesamtrecke...

(der Gesamtsieger der Männer kommt später nach 4:58 ins Ziel, er ist also im Durchschnitt auf die gesamte Strecke 4 min/km gelaufen, pervers!) Wieder Dörfer, der Fluss, Landschaft, bei 45 km bin ich bei 4:01, das stimmt vielleicht wieder so insgesamt.

Bei meiner Uhr ist leider ganz zu Anfang das Armband gerissen, die habe ich jetzt hinten im Trikot, einerseits doof, weil immer rausziehen nötig, andererseits laufe ich mit etwas weniger Druck, wenn ich nicht immer auf die Zeit gucken kann.

Ab und zu meldet sich jetzt mein Magen, wird leicht übersäuert - aber die in einem Becher Wasser eingeweichten und dann geschlürften Brötchen sind supergut und helfen wunderbar. Sonst esse ich nur Apfelspälten, supersüss und lecker.

Mein Abends-vollgefressen-haben zahlt sich aus, ich habe an keiner Stelle das Gefühl, jetzt "fehlt mir der Saft" mangels Kalorien, trinke immer zwei, drei Becher Wasser alle fünf km, esse insgesamt ca. drei Äpfel und eben meine drei Brötchen - und habe noch nicht mal am Abend Nach-Hunger, voll gut!

Dann in einer Stadt schon km 50, angeblich bei einer Zeit von 4:21 - und das kann nun wirklich nicht sein, dass ich die letzten 5 km mit einem 4-er Schnitt gelaufen bin....

So einige Männer, ein paar Frauen und ein viele Wanderer habe ich schon überholt, weiss aber überhaupt nicht, wie ich liege.

Man kann auch 25 oder 40 km o.ä. laufen, und nur an den Startnummern (alle unter 200) kann man erkennen, dass die Leute auch früh um 6:00 in Celje gestartet sind.

Inzwischen läuft man in einer schönen, engen, von Bergen begrenzten Schlucht einfach auf der Strasse, wieder am Fluss entlang (der zum Teil sogar in Dörfern glasklar ist!), und da kaum Verkehr herrscht (die Schlucht endet dann wohl kurz von Österreich), macht das auch nichts mit den paar Autos, und nach den vielen km wäre hulperiger Waldboden jetzt auch sehr unfallträchtig...

Eine Frau wartet mit dem Rad am Wegesrand, sieht mich, mustert mich prüfend und radelt los, Richtung Ziel. Sie wirft noch mal einen Blick auf meine Nummer, so dass ich denke, vielleicht kommt jetzt ein Grossdorf mit Ansager und die wollen gucken, wer die erste Frau ist - wenn ichs also tatsächlich bin!

Aber bei km 58 überhole ich noch eine 75 km-Läuferin, und neben ihr radelt die andere Frau - da wollte also nur die eine Frau wissen, wieviel Abstand sie zur nächsten hat. Sie läuft ziemlich langsam (wie ich nachher ausrechnen kann, ab dem Überholpunkt pro km eine halbe Minute langsamer als ich), aber das kann sich ja immer ändern, daher habe ich jetzt immer ein bisschen Angst, sie kommt wieder an mir vorbeigefegt...

Aber vielleicht bin ich jetzt wirklich die erste Frau. So einige 75 km-Läufer gehen jetzt, so dass ich noch 5-10 Leute überhole. So langsam zieht es sich!!

Inzwischen sind die Schilder vom Lauf alle 5 km synchron mit Strassenmarkierungen, die alle 500 m stehen, so dass man sich in 0,5 km -Schritten ins Ziel hangeln kann - durchaus angenehm, wenn man so schön 13, 12, 11... rückwärts zählen kann, statt einfach blind auf die 60, 65 zu warten...

Bei einem Verpflegungspunkt, der 15 m vor DEM Schild steht, ab dem es noch 9 km sind, beschliesse ich, mal aus pschologischen Überlegungen wenigstens bis zu dem Schild zu gehen, was ich sonst gar nicht gemacht habe - tut auch sehr gut.

Eigentlich laufen die Beine alleine, aber inzwischen ist der Himmel SEHR blau und die Sonne fast ein bisschen warm und trotz schöner Landschaft möchte ich jetzt gerne bald da sein - und es geht jetzt immer ein bisschen bergauf.

Angezogen bin ich eigentlich total richtig, kurze Hosen und ein dünnes Shirt unter dem Radtrikot - bei dem Regen und der Feuchtigkeit vorhin war das mehr als angemessen, nur dürfte es jetzt nicht mehr allzulange in der Wärme dauern.

Tuts ja auch nicht, irgendwann ist die 70 erreicht, also nur noch 5 - voll klasse Gefühl!

Und noch einer und noch einer und schliesslich kommt noch mal ein kleiner Hügel, und direkt davor das Schild "73" - die letzten 5 sind einzeln markiert.

Oben dann ein Verpflegungspunkt und hier kann man wunderbar in das Tal sehen, dass man jetzt entlangläuft, und man sieht, dass es jetzt (kaum zu glauben! ganz unerwartet) für mind. 1,5 km leicht bergab geht - super! Keine Anstrengung mehr, nur noch Beine bewegen, und laufen lassen. Die Höhenmeter waren eigentlich gut verpackt und wenig spürbar, keine Stellen, wo man der Steilheit wegen gehen müsste - aber 250 der 400 Höhenmeter lagen auf den letzten 25 km, und das ist schon tough.

Ja, und da gehts jetzt so die Strasse entlang, ein wenig Musik wird lauter, man vergisst das klasse- Bergpanorama und auf einmal ein Pfeil "nach links" - ich biege ab, und sehe 30 Meter vor mir ein rosa Plastikband, das aber auf die Erde durchhängt. Na prima, schliesslich hatte ich auf Helgoland ja kein Band, bin ich wohl wirklich Erste, denke ich, und finde es auch ganz richtig, dass es durchhängt, weil vor mit noch zwei Wanderer und ein Mann sind.

Da sehe ich, dass ich noch mal rechts abbiegen muss - das war ein Begrenzungsband :(

Aber jetzt sind es nur noch ein paar Meter ins Ziel, ich überhole die Wanderer und schwupp - schon ists vorbei, die Uhr sagt 6:56:52 - und meine Uhr 10 sek weniger, also die Brutto-Netto-Differenz. Alles korrekt. Fertig!!

Im Ziel kriege ich routinemässig eine Medaille, gehe durch das Zielzelt und stelle mich erst mal bei den Massagen an. Die dauern doch länger (weil sie nämlich jeweils so schön lang und gut sind), so dass ich noch mal schnell ins Zielzelt zurückgehe, wo die Urkunden sofort ausgedruckt werden (tolle Technik) - tja, und Tatsache steht "1. mesto" auf meinem Blatt, also erster Platz!

Die andere kommt 8 min hinter mir mit 7:04, die dritte dann bei rund 8 Std. an.

Dann erst mal Klamotten holen, in der gemütlichen, gemeinschaftlichen Militär-zeltdusche gesäubert und schon ist Siegerehrung.

Ich kriege einen Riesenpokal und eine noch viel grössere Kiste, rot verpackt.

Ich hatte gehofft, die ist für die Männer und ich kriege die etwas weniger grosse Grüne, die ich EVENTUELL noch in den Koffer bekommen hätte, aber niente.

Dann organisierte Bus-Rückfahrt nach Celje, und uns kommen noch ein paar Dutzend Läufer entgegen, die noch bis zu 20 km vor sich haben, die Armen, die meisten gehen auch.

Wieder im Hotel packe ich aus: eine Universalküchenmaschine, die mitzunehmen ich fast ein schlechtes Gewissen habe, die zweite Frau hätte sie bestimmt besser gebrauchen können..

Aber schon irre, einfach so Erste geworden...

Schon wieder. Naja, jetzt kommt ja als nächstes Berlin, und selbst wenn ich da 10 min schneller laufe, werde ich höchstens Nummer 100... :) Am Laufabend tut mir mein rechtes Aussenband am Knie weh, das ist aber Sonntag früh schon wieder weg.

Mein Magen ist so ein bisschen gereizt, das hält sich noch den Sonntag über und heute, am Dienstag, ist mein Mittelfussknochen noch ein bisschen überlastet und ich merke beim Treppenruntersteigen immer noch leicht die Oberschenkel - aber that´s it, ziemlich gut für 75 km, finde ich! Hatte auch zu keiner Zeit das Gefühl, ich könnte einen Krampf kriegen - also alles noch diesseits der Gesundheitsgrenze! Voll gut, was? (ich wiederhol´ mich, ich weiss...)

Viele Grüsse und bis bald -

Heike


Heike Cossmann, September 2001
heikel@gmx.at