Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Berichte - Ultramarathon beim Steppenhahn (05.2002)

Zufälliges Zitat

"Schnell wie der Wind ist das weisse Pferd der Araber. Doch das Kamel stampft durch die Wueste, Tag und Nacht."

Unknown (bzw. shakal ryan)

Nächster Ultramarathon

Treppchen fest in DUV-Hand

Da ist man gut über den Winter gekommen und hat ohne speziell darauf zu trainieren auf den Unterdistanzen so gute Ergebnisse, wie noch nie zum Jahresbeginn. Man ist sich sicher: die Form stimmt! Positiv eingestellt reist man zum ersten geplanten Highlight der Saison den 24 Stunden von Apeldoorn - und erlebt prompt eine Enttäuschung. "Das kommt von der Hüfte", so der Rennarzt nach 109 km, "damit würde ich auf gar keinen Fall weiterlaufen!" OK, die Gesundheit geht vor, also ausgestiegen, abgemeldet, hat nicht sollen sein. Schade! Aber hilft ja nichts!

So geschehen meiner Frau Conny, die sich für Apeldoorn echt was vorgenommen hatte und nun nichts weiter tun konnte, als die übrigen StarterInnen zu beklatschen. Auf dem Heimweg flossen dann die Tränen. So ein Mist!

Samstag abend die Erkenntnis: nach einer viertel Stunde Wirbelsäulengymnastik plötzlich keine Schmerzen mehr! Sollte es doch am Rücken gelegen haben? Hätte die Gymnastik in Apeldoorn etwa einen Ausstieg verhindern können? Es gab nur einen Weg, das endgültig fest zu stellen: es musste ein 24er her, um es auszutesten. Also, den DUV-Terminkalender gewälzt. Eppeville in Frankreich bietet einen 24 Std.-Lauf am kommenden Wochenende an. Wo ist Eppeville? Der Routenplaner sagt: knappe 400 Kilometer. Können wir mit unserem Wohnmobil in rund 5 Stunden schaffen. Für die Rückfahrt wäre bis Montag, da Pfingsten, Zeit, auszuschlafen.

Gesagt, getan! Per Fax schnell angemeldet und während der Woche darauf geachtet, keine Körner zu verschießen. Ein 24 Stunden-Lauf mit 109 Kilometern aus der Vorwoche in den Beinen ist alleine schon ein Abenteuer. Da muss man nicht noch mehr Kraft verlieren. Freitag mittag ging es los. Schnell auf die Autobahn, bevor der Pfingstreiseverkehr anfängt!

Eppeville 2002: Gerard Froidure, Thomas Kabuss, Cornelia Bullig, Gabriel (v.lks.)

In Eppeville angekommen, das erste positive Erlebnis. Wir werden von dem Veranstalter Gerard Froiture, mit dessen Tochter Rachel wir uns in Englisch am Telefon verständigt hatten begrüßt, als habe man schon sehnlichst auf uns gewartet. Mitten in den letzten Vorbereitungen kümmerten Gerard und Gabriel sich zuerst darum, dass wir mit unserem Wohnmobil einen guten Standplatz auf der Wiese vor der Sporthalle bekamen, Getränke wurden gereicht und zu guter Letzt wurden wir von Gabriel zum Supermarkt gebracht, um für den Lauf die letzten Dinge zu besorgen.

Bei dem vorabendlichen Spaziergang über die gut markierte Laufstrecke wurde Conny so langsam klar, was sie hier erwartete. 2796,30 Meter mit zwei Steigungen pro Runde. Jetzt relativierte sich auch der Streckenrekord bei den Damen, der bei knapp über 194 Kilometern lag. Angesichts der Strecke eine ausgezeichnete Leistung. Ich versuchte, das Beste daraus zu sehen: "da hast du die ideale Vorbereitung auf Reichenbach im Juni, da soll es ja auch ziemlich rauf und runter gehen".

Am Morgen vor dem Lauf eine Überraschung. Mit Thomas Kabuss hatte ein weiterer Deutscher gemeldet. Noch größer wurde die Überraschung, als wir feststellten, dass Conny und Thomas seit Jahresbeginn Teamkollegen der LG Nord Berlin sind. Die übrigen 46 Starter/innen kamen durchweg aus Frankreich. Die Zeit bis zum Start um 16.00 Uhr verging mit Erzählen und Vorbereitungen. Noch ein Nickrchen und schon war es Zeit, sich an den Start zu begeben.

Gestartet wurde in der Sporthalle, die in jeder Runde zu durchlaufen war. Einzeln wurde jede/r Teilnehmer/in in die Halle gerufen, vorgestellt und mit reichlich Beifall motiviert. Schon jetzt konnte man einen Eindruck gewinnen, mit welcher Herzlichkeit dieser Lauf durchgeführt werden würde.

Neben den Einzelläufern starteten fünf Staffeln und trotz der Enge im Startkanal ging der Start ruhig und gesittet vor sich. 24 Stunden sind ja auch Zeit genug, sich seine Position zu erarbeiten.

Bei den Damen war schon bald klar, dass es für Conny keine Konkurrenz geben würde. Auch die veranstaltenden Franzosen sahen das so. Immer wieder wurde Conny als Favoritin für die Damenwertung angekündigt. Bei den Herren sah das schon etwas anders aus. Zwar war Thomas Kabuss auf der ersten Liste nach einer Stunde ein paar Sekunden vor dem Vorjahressieger, aber was heisst denn schon das Ergebnis der ersten Stunde für einen 24-Stunden-Lauf. Bereits in der zweiten Stunde hatte sich das Bild gedreht, der Franzose Jean Luc Feucher hatte die Spitze übernommen und baute seine Führung in der Folge auf fast ein Runde aus, gerade so, als wollte er seinen Anspruch auf eine Wiederholung des Sieges aus dem Vorjahr untermauern. Ob er sich dabei übernommen hat, ist nur Spekulation, Tatsache ist, dass ab der vierten Stunde Thomas Kabuss die Führung alleine übernehmen konnte. Feucher fiel auf den dritten Rang zurück, um nach 9 Stunden endgültig auszusteigen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Conny bereits 5 Runden Vorsprung auf die nächste Dame und war in der Gesamtwertung auf den 8. Rang vorgelaufen. Langsam machten sich die 109 Kilometer aus Apeldoorn im Zusammenspiel mit den Anstiegen auf der Runde bemerkbar. Es war mitten in der Nacht, und der Körper verlangte seine Ruhe. "Jetzt nur nicht nachgeben. Spiele deine Stärke in der Nacht aus! Stell dir vor, du liegst an achter Stelle der Gesamtwertung!", so versuchte ich ihr über die erste Krise hinweg zu helfen. Auch Thomas hatte so seine Schwierigkeiten. Er wollte Essen, konnte aber nicht. Das Problem kenne ich von Conny. Da hilft nur Kartoffelbrei. Die Veranstalter besorgten heißes Wasser, so dass wir Kartoffelbrei anrühren konnten, ohne immer wieder ins Wohnmobil zu müssen. Überhaupt haben die Veranstalter den Läufern alle Wünsche von den Augen abgelesen. Das Angebot war zwar nicht so üppig, wie man es von Sri Chinmoy Läufen kennt, aber die Herzlichkeit, mit der sich gekümmert wurde, stand dem in Nichts nach.

Stunde um Stunde bauten Conny und Thomas ihre Führung über Nacht aus. Morgens um sieben Uhr hatte Thomas bereits 5 Runden auf den zweiten und weitere 3 Runden auf den dritten Platz herausgelaufen. Conny hatte bereits einen Vorsprung auf die Zweitplatzierte von 13 Runden und war auf den fünften Gesamtrang vorgelaufen. So langsam konnte man von einem LG Nord Berlin Doppelsieg (Damen/Herren) träumen.

Durch den späten Start um 16.00 Uhr ist der frühe Morgen des zweiten Tages aber kein wirklicher Maßstab. 9 Stunden lagen noch vor den Läufer/innen. Da konnte noch viel passieren. Conny klagte immer häufiger über müde Beine. Es gelang mir, ihr klar zu machen, dass alle anderen jetzt auch so ihre Krisen hatten. Ein Schuhwechsel, verbunden mit frischer Kleidung zum Sonnenaufgang half über die nächsten zwei Stunden, aber der Tag wurde lang und länger. Besonders der längere der beiden Anstiege wuchs sich immer mehr zum Berg aus. Kaum einer lief noch den Anstieg hinauf. Conny brauchte eine Gehpause. Jetzt war ich als "Sklaventreiber" gefragt. "Versuche wenigstens die Gefällstrecken leicht zu traben, auf den Steigungen kannst du mit langen Schritten deine Beine durchdehnen. Vielleicht verlierst du dann nicht so viel Zeit", versuchte ich ihr einzureden. Und wirklich, es gelang. Conny war neben Thomas die einzige mit einigermassen gleichmäßigen Rundenzeiten. Nachdem sie zwischenzeitlich wieder auf den sechsten Gesamtrang zurückgefallen war, verbesserte sie sich bis Mittag auf den vierten Platz. Jetzt lag sogar ein Treppchenplatz im Bereich des Möglichen. Claude Aubry hatte seine letzte Kraft verbraucht, um sich gegen Conny zu wehren, er fiel Minute um Minute zurück. Von hinten kam also niemand mehr. Nach vorne zu Jean-Yves Perrot war es nur noch eine Runde, der war in den letzten beiden Stunden langsamer geworden, so dass Conny den Rückstand auf eine von ursprünglich drei Runden verringern konnte. Und immer noch funktionierte die Taktik, bergauf gehen, bergab traben.

Mittlerweile füllte sich die Halle und Teile der Strecke mit Zuschauern, die Thomas und Conny begeistert anfeuerten. Besonders die Staffelläufer und deren Begleitung feierten Conny, als wäre sie dabei, einen Olympiasieg zu erringen. Eineinhalb Stunden vor dem Ende der 24 Stunden war es dann tatsächlich so weit: Conny hatte Jean-Yves Perrot an der Verpflegungsstelle überholt. Er versuchte zwar noch einmal zurück zu schlagen, konnte aber nicht wirklich dagegenhalten. Getragen von der Begeisterung an der Strecke baute Conny ihren Vorsprung auf Jean-Yves noch auf eine und eine halbe Runde aus. Thomas hatte in der Zwischenzeit den Gesamtsieg sicher. Sieben Runden betrug sein Vorsprung - uneinholbar!. Das einzige Ziel war nun, die 220 Kilometer zu übertreffen. Mit 223,306 KM feierte er einen überzeugenden Sieg.

Eppeville 2002: Conny Bullig und Thomas Kabuss

Überwältigend die Siegerehrung. Minutenlanger Beifall für Conny und Thomas ließen die hochgereckten Arme mit den schweren Bleikristallpokalen lahm werden. Selten habe ich eine Veranstaltung erlebt, bei der auch die unterlegenen Mitstreiter so herzlich applaudierten. Frankreich war eine Reise wert!

Nachbetrachtung

Der 24-Stunden-Lauf in Eppeville, in diesem Jahr zum 17. Mal veranstaltet, bietet eine einzigartige familiäre Atmosphäre. Der Lauf ist das Startgeld von 32 Euro allemal wert. Nicht nur Sieger und Platzierte erhalten für ihr Geld einen bemerkenswerten Gegenwert. Außer den üblichen Leistungen, wie Verpflegung, erhält jeder, der in die Wertung gekommen war, eine Tüte mit einem Polo-Shirt, einem Träger-Shirt, einem Handtuch, einem Waschlappen, einer Baseballkappe und zusätzlich eine Erinnerungsplakette in Form eines Mini-Tabletts. Sieger und Platzierte erhielten wirklich repräsentative Pokale. Jeder Gewertete erhielt eine Losnummer für eine Tombola mit nennenswerten Preisen. Also kein Kitsch, den man selbst gleich zur nächsten Tombola wieder stiftet. Vom ganzen Schinken über Besteckkoffer, Campinggarnituren bis hin zu hochwertigen Freßkörben war alles vertreten. Aber nicht genug damit, die herzliche Aufnahme bei Veranstaltern und Helfern, denen nie ein Wunsch ungelegen kam, wiegt fast noch mehr, als alle Sachwerte. Gerard Froidure, seine Tochter Rachel, seine Frau, von der ich leider den Namen nicht erfragt habe, und alle Helfer, speziell auch Gabriel, haben uns so verwöhnt, dass wir hier sicher noch einmal dabei sein werden. Dieser Entschluss wurde bei dem gemeinsamen Frühstück am Pfingstmontag-Morgen in der Halle, bei dem alle, die sich noch auf der Wiese neben der Halle ausgeschlafen hatten, ganz selbstverständlich eingeladen waren, gefasst und bekräftigt.


© Sigi Bullig , 22. Mai 2002
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