Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Bericht Chamonix (28. - 31.08.2003) - Ultramarathon beim Steppenhahn (09.2003)

Zufälliges Zitat

"Nimm keinen Lauf als selbstverständlich - jeder ist ein Geschenk"

Christian Hottas

Nächster Ultramarathon

Erika , September 2003

Chamonix (28. - 31.08.2003)

Fan-Bericht - Für Bernhard, Elisabeth und Bruno

O.K. ich habe mich entschlossen mitzufahren. Mitzufahren mit drei wagemuti­gen Bezwingern des Ultra-Trail, Tour du Mont-Blanc, 150 km non-stop.

Ich gestehe, der eigentliche Reiz mich anzuschließen lag eher darin, einen Ausblick auf die größten europäischen Gletscher genießen zu können und dem Mont Blanc ohne große Mühe sehr nahe zu kommen. Eisenbahn, Kabinenbahn, Mont-Blanc-Bahn, alles war mir recht.

Nun, fast hätte mir Montezumas Rache noch die Abreise vermasselt, aber mein Marathonläufer kennt da keine Gnade und die Angelegenheit wird unter Pipifax abgelegt. Kennen Sie schon den Spruch "Hart, härter, Bernhar(t)d?

Nun ja, ich bin dabei. Mit einstündiger Verspätung werde ich von Bernhard und Bruno zu Hause abgeholt. Elisabeth, die vierte im Bunde, treffen wir am Bahn­hof in Offenburg.

Wie fühlt Ihr Euch? Habt Ihr noch trainiert? Ist alles im Gepäck? Was ziehen wir an? Kurz, lang, dick, dünn? Wo deponieren wir was? Laufen wir zusam­men? Hoffentlich bleibt das Wetter wie es ist. Stöcke dabei? Hmm, Elisabeth muss erst noch damit üben. Bernhard ist absoluter Verfechter dieser Gehhilfen (klingt nach Behinderung), doch Bruno lehnt ab, obwohl, ihn schmerzt der Oberschenkel. Muskelkater vom Radfahren mit seinem Sohn. So richtig zeigen was man kann. Vater steigt auch am Berg kräftig in die Pedale. Sohn schiebt.

Ich überlasse die Konversation den Marathonis und lass mich durchhängen.

Wörter und Satzteile dringen an mein Ohr. Hast Du schon den ..........gemacht? Wie war Deine Zeit? Klasse! Wann ist der ........? Mach ich auch! Melde mich sofort an! Und immer wieder das Wort Marathon, Marathon, M a a r a a t o o n . Die Begeisterung ist grenzenlos. Doch schon jetzt ist Anspannung und Nervosi­tät zu spüren.

Schneller als gedacht kommen wir unserem Ziel nahe. Der Anblick des Berg­massivs ist einfach atemberaubend. Doch meinereins ist leider nicht ganz schwindelfrei. Vor allem wenn es mit dem Auto in Serpentinen den Berg steil rauf oder runter geht. Den starren Blick immer gegen die Felswand gerichtet, werde ich für das angebliche Misstrauen in Bernhards Fahrkünste gerügt. Ich hab das auch gleich eingesehn (frei nach Rüdiger Hoffmann) und schon stehen wir ohne ernsthafte Schwierigkeiten vor dem Gebäude der uns zugewiesenen Ferienwohnung für vier Personen (2. Stock, Zimmer Nr. 11). Es wird etwas problematisch wegen der Tür, doch Bruno erweist sich als technisch gut drauf und siehe da, Sesam öffnet sich. Zwar erfassen mich Fluchtgedanken beim Anblick des Treppenhauses, dennoch erweist sich unser Zimmer Nr. 11 als recht zweckdienlich. Schnell sind die Betten verteilt. Auf meinen Wunsch beziehe ich den unteren Teil eines Etagenbettes und Elisabeth entschließt sich für das obere Lager. Meine Bedenken, ob sie denn nach dem 150 km-Lauf noch in der Lage wäre die Sprossenleiter zu erklimmen, wird uneingeschränkt für möglich gehal­ten. Und schon geht’s in die Omeletterie, La Poele Pizzeria. Mit Pizza Roque­fort, Lasagne, Entrecote, Bier und Wein, beschließen wir den Abend.

Leider geht unser Wunsch, was das Wetter betrifft, nicht in Erfüllung. Kaum in den Betten, Blitz und Donnergrollen und es gießt ordentlich. Während ich sofort in Tiefschlaf falle, erfahre ich am nächsten Morgen, dass das Donnerwetter den Schlaf meiner Bettgenossen die ganze Nacht über sehr beeinträchtigt hat.

Neuer Tag, neues Glück.

Und so lautet der Beschluss, dass der Mensch was essen muss. Der nahege­legene Spar-Markt wird zum Einkaufsziel. Bruno outet sich als Spaghetti­fachmann und zeichnet sich verantwortlich für unser Abendmenue.

Die Nervosität steigt und das Marathon-Trio ist nicht mehr zu halten. Start und Ziel sowie die Startnummernausgabe müssen schon mal vorab in Augenschein genommen werden.

Jung, männlich, sehr groß, sehr blond, kurz Jung Siegfried richtet seine Stimme an mich und bekundet erfreut zu sein, deutschsprachige Laute zu vernehmen. Er ist Sportsfreund und hat die Nacht im Zelt verbracht, was sehr feucht gewesen sein soll. Schnell wird das Sportlertrio zum Quartett. Es regnet heftig. Unserem Vorhaben, ein Café aufzusuchen, schließt sich Carsten (so heißt Siegfried), beladen mit zwei großen Koffern, gerne an. Carsten ist nicht auf Regenwetter und sinkende Temperaturen eingestellt. Regenjacke und Flies müssen beschafft werden. Elisabeth ist ihm freundlicherweise dabei behilflich. Unsere Ferien­wohnung kommt zur Sprache und dass da eigentlich nur vier Betten .............

Aber Carsten will sich auch mit einem Lager auf dem Fußboden begnügen.

Und schon sind wir mit Sack und Pack gemeinsam auf dem Weg nach Zimmer Nr. 11. Es wird eng. Carsten hat keine Probleme mit einer eventuellen Einge­wöhnungsphase. Ich verziehe mich mit meinem Reisegepäck und einer Reise­broschüre über Chamonix und die Bergwelt in meine Koje.

Es kommt zu vermehrter Aktivität im Raum. Rucksäcke werden gepackt, Rat­schläge erteilt, Erfahrungen und Belobigungen ausgetauscht. "Ihr wisst gar nicht, wie viel Lob ich vertragen kann" kommt aus weiblichem Munde.

Es geht gleich los, denn es ist Briefing-Time (Lagebesprechung, Vorbe­sprechung, Info-Abend). Ha, jetzt kenne ich die Bedeutung des Briefing.

Der französischen Sprache nicht mächtig und die Englischübersetzung unverständ­lich, weiß ich nicht zu berichten, was dort besprochen wurde. Aaaaber ich habe Anke Drescher gesehen, eine der besten europäischen Marathonläuferinnen, wie mir Bernhard versichert hat. Sogar getroffen haben wir sie noch nach dem Briefing und Bernhard hat gefragt in welcher Zeit sie das Rennen hinter sich bringen will. Ihre bescheidene Antwort hat mir sehr sehr gut gefallen: "Ich will nur ankommen". Ich glaube, spätestens nach dieser Aussage war allen Zuhörern klar, auf was sie sich da eingelassen hatten.

Zurück in Zimmer Nr. 11.

Spaghettiessen ist angesagt. Carsten lässt verlauten, dass er ein Pfund Spaghetti alleine essen kann, was er meines Erachtens aber wirklich nur knapp verfehlt hat. Ein Danke an den Chefkoch. Es war alles ausreichend und hat gut ge­schmeckt. Wir beschließen, ausnahmsweise die Spülmaschine zu benutzen. Ein Fehler? Das Maschinengeräusch hat beim Einschlafen sicher nicht zur Entspan­nung beigetragen.

Ultra-Trail – Start 04.00 Uhr.

Der Wecker hat keine Chance. Bernhards Beine sind die ersten, die vor der Zeit an meinem Bett Richtung Toilette vorbeikommen. Dann geht es Schlag auf Schlag. Die Bewegungsabläufe sind zügig und ich muss mich beeilen, damit ich alle vier Läufer zum Abschied nochmals vor die Kamera bekomme.

Ich bin nicht fit – Sie wissen schon - . Frühstück und auch ein Wannenbad am Vormittag haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Ich beschließe, noch­mals unter die Decke zu kriechen. Mein Gesundheits- oder auch Schönheits­schlaf (wie Sie wollen) dauerte bis nachmittags 16.30 Uhr. Wow, jetzt aber los zum Zieleinlauf, mal gucken, ob’s was zu sehen gibt. Die Attraktion im Ziel­bereich ist eine Folkloregruppe, die mit Tanz und Gesang auf einer kleinen Bühne ihr Publikum unterhält. Es trifft nicht unbedingt meinen Geschmack und ich mach mich wieder auf den Rückweg nach Zimmer Nr. 11. Ich beschäftige mich mit der Vorbereitung für mein Abendbrot und hänge so meinen Gedanken nach. Zwei Zeilen eines Gedichtes gehen mir durch den Kopf: Wer einsam ist der hat es gut, weil keiner da, der ihm was tut. Eigentlich Schade, Schade, Schade.

Stimmen vor der Abschlusstür lassen mich aufhorchen und tatsächlich versucht auch jemand unsere Tür aufzuschließen. Doch mein Schlüssel steckt von innen und ich denke, die da draußen werden schon noch merken, dass sie an der fal­schen Adresse sind. Wieder Stimmen, wieder wird versucht die Tür zu öffnen. Die werden die Bude doch nicht zweimal vermietet haben? Kriminalroman­erfahren denke ich natürlich auch an Diebe. Der Fluchtweg über die Terrasse ist gesichert und so begebe ich mich zur Tür und frage: "Wer ist da, Bitte?" Die Stimmen die Einlass begehren, sind mir sehr wohl bekannt. Ich öffne und bin einfach baff. Ich kann nicht glauben was ich sehe und frage blöde: "Was macht Ihr denn hier?" Bernhards Gesichtsausdruck spricht Bände. Er überlässt Elisabeth die Erklärung weshalb/warum. Es ist nicht ihre Schuld. Sie wurden nach 50 km aus dem Rennen genommen. Wenn ich es richtig verstanden habe, wurde die Strecke verlängert und die Zeiten nicht geändert. Hätte man beim Briefing doch mehr verstehen müssen? Elisabeth ist mehrmals gestürzt. Schuhe und Beleuchtung waren für die sehr anspruchsvolle Strecke ungeeignet. Beide sind maßlos enttäuscht. Bernhard Sesterheim ist zum ersten Mal nicht ange­kommen und wer ihn kennt, weiß um das Drama beim Ausstieg aus dem Rennen. Sogar sein Ultra-Trail-T-shirt hat er mir geschenkt. Zudem musste er Todes­ängste überwinden bei der Rückfahrt. Der Kleinbusfahrer fuhr volles Risiko und viel zu schnell. Ich weiß nicht wie ich sie trösten soll und frage mal ob keiner Hunger hat. Elisabeth trinkt nur Tee. Für Bernhard gibt’s gebackenen Reis mit frischen Champignons und Schinken. Ich spreche meine Vermutung aus, dass Bruno und Carsten gegen Mitternacht zurückkommen werden. Solange dauert es nicht einmal und es klopft. Diesmal weiß ich, es sind keine Diebe. Ich öffne die Tür und heiße beide herzlich Willkommen. Sie haben den ersten Strecken­ab­schnitt bis Courmayeur geschafft. Jetzt wird gefachsimpelt, was sicher zur Lockerung der inneren Anspannung beiträgt.

Daran gewöhnt alleine und bei offenem Fenster zu schlafen, gerate ich langsam ins schwitzen bei fünf erwachsenen Personen, etwa sechs Reisetaschen, zwei großen Koffern, vier Rucksäcken und einer Kiste Mineralwasser im Raum. Trotzdem Gute Nacht.

Die ersten Worte die ich am nächsten Morgen vernehme, kommen aus Brunos Ecke: "Vielleicht fahren wir ja schon heute". Ich bin sofort dabei und Elisabeth hat auch nichts dagegen. Das Frühstück fällt spärlich aus. Dafür haben wir jede Menge Müll produziert. Carsten lässt sich von Bernhard zum Bahnhof fahren. An der Rezeption wird ausgecheckt und die Ausgaben werden aufgeteilt. Mein Marathonmann hampelt schon wieder durch die Gegend, als wäre nichts geschehn. Es regnet leider noch immer und die Berge sind umgeben von Wolken. Eine Fahrt nach oben mit der Kabinenbahn erscheint mir deshalb nicht mehr sinnvoll. Elisabeth und Bernhard wollen unbedingt zum Zieleinlauf, um eventuell einen Mitkon­kurrenten finishen zu sehen. Bruno und ich bleiben im Halteverbot zurück. Keiner kam gerade zu diesem Zeitpunkt ins Ziel, doch auf der Rückfahrt sehen wir einige Läufer die noch auf der Strecke sind. Bernhard hupt und wir winken ihnen zu.

Elisabeth steigt in Offenburg wieder in den Zug und wir fahren über Straßburg nach Lemberg bei Pirmasens, Altenwoogsmühle, zu Frau Thäter. Ihr ausgepräg­ter Pirmasenser Dialekt gefällt mir heute besonders gut und ich bestelle ein Pils, ein Jägerschnitzel mit Pommes Frites und hinterher ein Schokoladeneis mit Sahne. Salat bleibt außen vor. Punkt. Bruno und Bernhard teilen sich die Kosten für mein Futter und jetzt geht’s nach Hause zu Vater, Mutter, Kindern und Meerschwein.

Ich wünsche Euch, dass Euer nächster Lauf wieder erfolgreicher sein wird. Ich jedoch halte es in meiner sehr knapp bemessenen Freizeit weiterhin wie bisher: Es ist so schön mal nichts zu tun, um dann vom Nichtstun auszuruhn.

Erika


© Erika , September 2003

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