Zufälliges Zitat

"Happiness is not getting what you want, but wanting what you have."

Rabbi Hyman Schachtel

Nächster Ultramarathon

Eberhard Frixe , 1. Oktober 2003

Jungle Marathon Brazil 2003

Jungle Marathon Brazil 2003, Amazonas 2003, September, 15th – 24th

Der erste Jungle Marathon der jemals veranstaltet worden ist fand jetzt im Amazonasgebiet in Brasilien statt.

Unter den 53 Teilnehmern, die aus aller Welt kamen, waren auch der 53jährige Langstreckler Eberhard Frixe aus Meine und sein Freund Joey Kelly. Die meisten Teilnehmer stellte England dicht gefolgt von Brasilien und den USA.

Es sollten 6 Etappen mit einer Gesamtlänge von 220 km absolviert werden, die kürzestes Etappe maß 27 km, die längste 70 km. Gelaufen wurde auf den Trampelpfaden der Eingeborenen Indianer.

Das alles bei Temperaturen von 40 Grad Celsius und annährend 100 % Luftfeuchtigkeit.

Von Frankfurt ging die Flugroute über London nach Rio de Janeiro, Sao Paulo, Brasilia und schließlich Manaus im Herzen Amazoniens.

Hier wurde die erste Nacht im Hotel verbracht.

Am nächsten Morgen ging es per Boot auf dem Rio Negro weiter in den Jungle, ein besonderes Erlebnis war das Zusammentreffen des Rio Negro mit seiner kaffeebraunen Brühe und dem Amazonas, der eher schlammfarben oliv aussah.

Bei Dunkelheit kamen wir im Basislager, der Jungle Trekker Akademie an. Unterwegs konnten wir mehrere Gewitter beobachten, die in der schnellen Folge der Blitze Feuerwerken ähnelten. Es war ein phantastisches Naturschauspiel.

Jetzt kam die erste Besonderheit, die erste Nacht in einer Hängematte, das war für die meisten von uns ungewohnt. Ich schlief sehr unruhig – habe ich überhaupt geschlafen???

Der nächste Tag diente dazu, unsere Rücksäcke mit dem Bedarf an Nahrung und Kleidung für eine Woche zu bestücken.

Vor dem eigentlichen Rennbeginn erhielten alle Teilnehmer eine Einweisung im Umgang mit Flora und Fauna im Jungle. So musste z.B. jeder Teilnehmer eine ausgewachsene Boa mit beiden Händen greifen und hochheben.

Es machte sich eine erste Nervosität unter den Teilnehmern breit, hatte ein derartiges Unternehmen doch noch nie stattgefunden.

Dann graute der Morgen und der Startschuss zur ersten Etappe, 27 km folgte.

Es ging gut los bei mir, schon nach einem km blieb ich mit meinem Rucksack an einem Ast hängen, der Rucksack ging auf und ich verlor einige Teile, unter anderem auch meinen Vorrat an Kaffee für die ganze Woche der mir so viel bedeutete. Doch Gott sei Dank sammelten die nachfolgenden Läufer die meisten Teile auf und gaben sie mir zurück. Nach diesem ersten Schock musste ich mich erst einmal wieder neu ordnen, die Strategie war dahin.

Die Strecke war recht anspruchsvoll, es ging bergauf und bergab, das runter war immer mit Wasserdurchquerungen verbunden. Man schwitzte ohnehin ohne Ende, die Kleidung war bald klitschenass und da kam es auf die Füße auch nicht mehr an.

Nach 20 km sah ich Joey vor mir auftauchen, er schien auch am Ende seiner Kraft zu sein. Doch ich erreichte ihn nicht, heftige Waden- und Oberschenkelkrämpfe machten mir zu schaffen. Die habe ich in den 33 Jahren, die ich jetzt laufe, nie gehabt.

Um so heftiger erwischte es mich jetzt. Ich schluckte ein Power Gel nach dem anderen und konnte so endlich zu Joey aufschließen. Wie er mir später sagte hatte auch er mit Krämpfen zu kämpfen.

Im ersten Etappenziel angekommen müssen wir schlimm ausgesehen haben, denn der RUNNING-Laufmagazin Herau sgeber Armin Schirmaier empfing uns mit den Worten: Ich dachte, so seht ihr erst am letzten Tag aus!

Erste Ausfälle waren nach diesem harten Trip zu verzeichnen.

Das Abendessen hat in dieser ungewohnten Gegend und nach dieser Anstrengung hervorragend geschmeckt.

Die Nacht in der Hängematte war schon erträglicher, die vielfältigen Geräusche des Jungles in den Ohren schlief ich auch bald ein, um 6 Uhr war es stockdunkel

Die zweite Etappe über 31 km war nicht minder schwer, der einzige Vorteil war, dass wir jetzt wussten was auf uns zukam. Inzwischen hatten wir erfahren, dass SteveWalsh und sein Bruder, die Organisatoren dieses Rennens, beide 5 Jahre in den Diensten einer Fremdenlegion waren. Jetzt wunderte und gar nichts mehr.

Heute hatte ich keinerlei Problem e, keine Krämpfe, es lief alles wie am Schnürchen.

Diejenigen, die mich noch am ersten Tag überholt hatten konnte ich heute überholen, das gab Auftrieb. Doch wieder kamen einige Läufer so spät ins Camp, dass sich die Organisation entschloss, die Etappe am nächsten Tag zu kürzen, man befürchtete, dass am Ende keiner das Ziel erreicht.

Die dritte Etappe war also nur 23 km anstatt 33 km lang. Das Furchtbarste an jedem Morgen war das Anziehen der nassen Kleidung und der nassen Strümpfe und Schuhe, denn bei dieser hohen Luftfeuchtigkeit trocknet nichts. Die Flussdurchquerungen und das ständige auf und ab zehrte an unseren Kräften. Hinzu kam bei dieser Etappe das km lange Laufen am Hang in Schräglage. Ein weiteres Hindernis stellten die umgefallenen Bäume dar, die ständig im Weg lagen. Hier müssen alle lang, stell dich nicht so an, sagte ich meinem Körper immer wieder, wenn er mal schwächeln wollte.

Wie heißt es doch so schön: Quäle deinen Körper – sonst quält er dich !

So beendete ich auch die dritte Etappe im vorderen Mittelfeld, immer gleichauf mit Joey und Robert, die anderen beiden deutschen Teilnehmer.

Alle Teilnehmer und auch die Leute der Staff wuchsen immer mehr zu einer Familie zusammen, man lernte sich immer besser kennen. Das einzige Problem bestand in den Verständigungsschwierigkeiten mit den Brasilianern, doch auch die konnten mit Händen und Füßen überwunden werden.

Die vierte Etappe war nur 25 km anstatt 35 km lang, also auch erträglich. Doch die Ausfälle mehrten sich, die hohe Luftfeuchtigkeit führte bei vielen zur Dehydration.

Am Start hatte uns Steve zu verstehen gegeben, dass ab morgen keine Verkürzung der Strecken mehr möglich sein wird. So konnten wir uns schon seelisch darauf einrichten. Heute begegneten wir Junglerats, Dschungelratten, die waren so groß wie Hunde und sahen furchtbar aus. Sie liefen aber weg vor uns, hatten Angst. Da wir auf den Weg und unsere Füße achten mussten konnten wir von der Schönheit des Jungles nicht immer etwas sehen. Das Gekrächtze der Papageien und anderer exotischen Vögel begleitete uns jedoch jeden Tag. Im Etappenziel angekommen konnten wir uns

In einem Nebenfluss des Amazonas erfrischen, immer ein Auge auf Piranhas und

Kaimane gerichtet. Aber auch diese Tiere sind scheu.

Der Tag der Wahrheit kam, die Königsetappe von 70 km stand an. Start war um 7 Uhr morgens, denn es sollte für die meisten von uns ein langer Tag werden. Diese Etappe hatte eine Besonderheit, denn zu Beginn standen 30 km Jungle an, Kategorie schwer zu laufen. Joey und ich blieben zusammen, die Durchquerung dauerte länger als geplant, der Jungle nahm und nahm kein Ende.

Dann gegen 13:00 Uhr endlich Tageslicht und gleißende, stechende Sonne.

Zu diesem Zeitpunkt lagen wir auf Platz 6 und 7. Hervorragend! Jetzt lagen 30 km

Lehmpiste vor uns, bei Regen nicht befahrbar. Es ging bergauf, bergab, immer und immer wieder. Das Wasser wurde knapp, wir bettelten bei den Anwohnern, die in

Spärlichen Hütten am Wegrand wohnten. Irgendwann während dieser Phase habe ich Joey aus den Augen verloren und setzte meinen Weg allein fort. Die Dämmerung brach herein, ich knipste meine Taschenlampe an. Bloß nicht den Weg verfehlen war jetzt meine größte Sorge. Doch da war es schon geschehen, ich sah keine Markierungen mehr und stand vor einem nicht zu überquerenden Flus s, kehrte also um und fand dann doch schließlich den richtigen Weg. Armin kam mir entgegen auf einem Motorrad mit Kamera und rief mir zu: Mensch Eberhard 6. Platz, Du bist gut.

Ich konnte es selbst nicht glauben, aber diese Nachricht spornte mich natürlich weiter an. Inzwischen war es stockdunkel geworden, gegen 20:00 Uhr erreichte ich den letzten Checkpoint vor dem Ziel. Jetzt kam meine größte Sorge, wie soll ich die letzten 10 km allein durch den Jungle schaffen? Allein wollte ich es auf gar keinen Fall vers uchen, wurde doch von den Veranstaltern davon abgeraten, da es zu gefährlich ist und dieses Gebiet sehr stark vom Jaguar besiedelt ist. Und der jagt nun mal Nachts.

Also war Warten angesagt, aber nicht ohne eine Mitteilung an die Zeitnehmer, mir sofort Bescheid zu geben, wenn die nächsten Läufer den Checkpoint erreichten.

Die ersten drei Läufer hatten es genau so gemacht und das schien auch am Vernünftigsten.

Gegen 22:00 Uhr hatte ich Glück, es kamen 3 Brasilianer und die brasilianische Journalistin Andrea (diese lief Teile der einzelnen Etappen mit um so hautnah berichten zu können) darunter auch ein der immer lustige Lucemir aus Manaus, der die Gruppe dann auch führte. Ich schloss mich Ihnen an und wir begannen den nicht ganz ungefährlichen Weg.

Nach dem ersten km wusste ich nicht so recht, ob ich meinen Entschluss bereuen sollte, denn es erwies sich als außerordentlich schwierig mit dem doch eingeschränkten Lichtkegel der Stirnlampe die richtigen Schritte zu machen.

Ich verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder, denn mir war klar, dass ich nur so viele Plätze gutmachen konnte.

Dann plötzlich hörten wir ihn alle den Jaguar, der uns verfolgte. Lucemir machte ein Zeichen zum Halten und wir lauschten in die Nacht. Das Fauchen war unüberhörbar.

Die Brasilianer begannen laut zu singen, Lucemir schnitt einen ca. 4m langen Wedel einer Stechpalme ab den ich fortan als Letzter in der Gruppe hinter mir her zog. Auf dieses Weise täuschten wir eine noch größere Gruppe vor. Im Laufe der nächsten Stunden hörten wir ihn immer wieder, mal von links, mal von rechts, mal direkt hinter uns.

Angegriffen hat er uns zum Glück nicht. Aber immer wieder gab Lucemir das Zeichen zum Anhalten um zu lauschen. Im Nachhinein muss ich sagen, dass mir nie der Gedanke gekommen ist, Angst zu haben, denn wir alle waren zu übermüdet und wollten schnell in unsere Hängematte. Nach vier Stunden trafen wir in der Dunkelheit auf zwei weitere Brasilianer, die kurz vor der Resignation standen, das Ziel war immer noch nicht in Sicht- oder gar Hörweite, sooft sie auch riefen.

Wir legten alle zusammen eine kurze Pause ein, Andrea, die brasilianische Journalistin übersetzte, sie war die Einzige außer mir, die englisch sprach. So konnte ich mich an der Gesprächsrunde wenigstens beteiligen. Unser Wasser wurde knapp, verdammt noch mal, das Ziel konnte doch nicht mehr weit sein. Der Jaguar hatte sich zwischenzeitlich verzogen, dafür machten uns jetzt riesige Ameisen und Spinnen zu schaffen. Skorpione sahen wir in dieser Nacht nicht. Zwei Boas, die vom Baum hingen haben wir aber rechtzeitig gesehen. Ob ich diese, so wie ich es noch vor wenigen Tagen gelernt habe, angefasst hätte?

Dann ging es weiter, wir wollten es hinter uns bringen. Nach einer weiteren Stunde mit vielen Wasserdurch- und überquerungen sahen wir das Licht eines Lagerfeuers, das Etappenziel war erreicht, mit großem Hallo fielen wir uns alle in die Arme. Unsere Ankunft wurde mit großer Erleichterung von der dortigen Staff aufgenommen und sofort gab man dem letzten Checkpoint bekannt, das wir alle "durch" waren. Wie wir erfuhren, hat sich in dieser Nacht keiner mehr auf den Weg gemacht.

Wir nahmen das übliche Bad im Fluss und machten unsere Katzenwäsche.

Eine lange Etappe ist zu Ende gegangen, 21 Stunden mit einem 10kg Rucksack auf dem Buckel und immer in Bewegung, diese Strapaze verschaffte mir dann auch einen guten Schlaf.

Am nächsten Morgen kamen die anderen so nach und nach ins Lager. Auch Joey hatte sich wieder aufgerafft und kam doch einigermaßen munter an. Er muss eine furchtbare Nacht hinter sich haben, denn wie ich von Steve, dem Organisator hörte, hatte er mit Kreislaufproblemen und Fieber mehrere Stunden pausieren müssen. Der heutige Tag diente der Regeneration, bevor morgen das große Finale, die Schlussetappe angesagt war. Wir verbrachten den Tag mit Essen, Fußpflege, Wäsche waschen und Konversation.

Und dann war er da, der von allen langersehnte letzte Tag. Beim morgentlichen Briefing sagt uns Steve, dass es heute eine relativ leicht zu laufende Strecke sei und wohl auch die wenigsten nasse Füße bekommen würden. Doch so wie in den Vortagen hatte der ehemalige Fremdenlegionär Steve die Strecke einmal wieder zu leicht dargestellt. Einen km nach dem Start kam die erste Matschpassage und gleich darauf die erste Flussdurchquerung. Es gab keinen Unterschied zu den Vortagen.

Einen etwa 10m langen Fluss konnte man balancierender Weise auf einem schlüpfrigen Holzstamm überqueren oder aber mitten durchwaten. Ich entschied mich für das Durchwaten. Das Wasser war tiefer als angenommen, die Hälfte meines Rucksackes hing mit drin. Dennoch besser, als vom Baumstamm abrutschen und reinfallen, sagte ich mir. Dann kam wieder eine Strecke mit den übergroßen Ameisen, die uns zwickten. Die Jaguare waren nicht mehr zu hören, am Tage sind sie wohl eher ungefährlich, sagte ich mir. Nach der ersten Verpflegungsstelle wusste ich: Nur noch knapp 10km, davon 3 auf einer gut zu laufenden Straße. Das beflügelte mich, denn ich wollte unbedingt meinen vorderen Platz verteidigen. Das Ziel war in Rio Preto da Eva, einem mittelgroßen Ort mitten in Amazonien. Das erste Mal Menschen an der Strecke, die Beifall spendeten, das war ungewohnt und beflügelte noch mehr. Mir liefen trotz der Hitze kalte Schauer über den Rücken, das Ziel war greifbar nahe und schon hörte wie man mich ankündigte: E agora, Eberhard da Alemanha, und jetzt kommt Eberhard aus Deutschland.

Die schwere Finishermedaille wurde mir umgehängt, ich bekam eine eiskalte Cola in die Hand gedrückt und man fragte ob es mir gut ginge.

An alles war gedacht, die Organisation war perfekt.

Als wenig später Joey eintraf gönnten wir uns ein Bad im Rio Preta, mit Schuhen und Laufoutfit, eine willkommene Erfrischung. Sofort waren wir umringt von vielen einheimischen Kindern die keinerlei Berührungsängste hatten und pausenlos auf uns einredeten. Da Joey unter anderem auch spanisch spricht, dem portugiesischen sehr verwand, konnte er sich auch unterhalten.

Das Rennen gewonnen hat der Marokkaner Karim Mosta, die Ränge 2,3,4 und 5 wurden jeweils von Brasilianern besetzt, auf dem 6. Platz konnte sich Eberhard Frixe behaupten, Joey Kelly belegte den 17. Rang. Von 53 Teilnehmern kamen letztendlich 37 ins Ziel.

Ein Bus fuhr uns zurück nach Manaus ins Hotel. Abends traf en sich alle bei einem Galadiner zur Siegerehrung.

Eine erlebnisreiche, schöne Woche ging zu Ende, die ich wohl nie mehr vergessen werde, denn die Eindrücke waren zu gravierend.

Allein 8 Nächte in einer Hängematte zu verbringen bleibt nicht bei jedem ohne Folgen – ich habe he ute noch Probleme im Schulterbereich die ich der gekrümmt gelagerten Wirbelsäule in der Hängematte zuschreibe.

An dieser Stelle muss auch noch einmal die logistische Leistung von Steve Walsh, seinem Bruder und der Organisation Jungle Trekker hervorgehoben werden, denn ein solches Rennen zu organisieren bedarf schon einer enormen Anstrengung.

Muito obrigado, Brasil!


© Eberhard Frixe , 1. Oktober 2003

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