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Elisabeth Herms-Lübbe , 04. Dezember 200323. Advent-Wald-Marathon in Bad Arolsen
Da waren sie alle wieder beisammen, die Experten. Arolsen am Jahresende ist Kult.
Kein Kult ohne Ritual. Parken auf matschiger Wiese, deren Schlammigkeit natürlich dieses Jahr geringer ist, Teelichter auf adventlichen Tischen in der Halle von Wetterburg, und dann die fürsorgliche Ansprache vom Oberorganisator Heinrich Kuhaupt: nur gut trainiert auf die Strecke gehen, nicht überlasten, im Wald kann kein Hubschrauber landen, um Kranke abzutransportieren,vor allen Dingen gesund ins Ziel kommen.
Ritual ist auch der lange Weg von der Halle am Twistesee entlang über die Staumauer zum Start. Mauer und See sind erst gut dreißig Jahre alt. Kaum fertig, schien die Mauer undicht zu sein, denn die Wiesen unterhalb waren immer nass. Durchlässig war aber das Gestein daneben. Auf diesem porösen Untergrund ist der Start. Das Fernsehen ist auch da, Werner Sonntag als wahrscheinlich ältester Normalstarter wird interviewt. Einige Langsame sind schon unterwegs. Wer einen guten Grund hat, darf in Arolsen eher starten. Eine Walkerin ist sogar schon vor zwei Stunden weg.
Entspannt geht es los. Das Gedränge am Start ist woanders schlimmer. Wer will denn hier auch Spitzenzeiten laufen?
Nach einem Kilometer passieren wir den Zeitansager. Nach zwei Kilometern war früher noch einer, diesmal nicht. Nach drei Kilometern geht es endlich den Berg hinauf in den Wald. Nach sieben Kilometern bei der ersten Verpflegung gibt es Tee mit Glühweingeschmack, bei der zweiten Verpflegung Tee mit Gummibärchenaroma, bei der dritten und vierten sind die Bananen alle, gerade, als mir der Magen knurrt und ich mich drauf gefreut habe. Da bekomme ich schlechte Laune. Sonst war in Arolsen immer alles in Ordnung, ich habe mir deshalb keine Müsliriegel oder Powergel eingesteckt wie meine Vorläufer, die die Verpackungen dazu auf den Weg geworfen haben.
"Genau so viele Bananen wie im letzten Jahr haben wir eingekauft, und wir haben weniger Teilnehmer. Da müssen einige rücksichtslos viel genommen haben", sagt mir später im Ziel Heinrich Kuhaupt und tröstet mich mit Nussecken. Endlich, nach 33,5 km nehme ich mir auch ziemlich viele Bananen, damit die Kraft zurückkommt, auch wenn es die letzten Kilometer viel bergab geht. Soviel zur Verpflegung.
Die Strecke geht häufig durch den Wald, mal ist ein Bach rechts, mal ist ein Bach links. In der ersten Hälfte, bei Landau, läuft man unter uralten Buchen den Berg hinab auf ein Schwimmbad zu. Dort ist, wenn man es nicht so eilig hat, die Wasserkunst zu besichtigen. Vor vielen Jahrhunderten ist dort eine Wasserleitung gebaut worden, um die Stadt Landau, die wie in der Toskana oben auf einem Berg liegt, zu versorgen. Mit der Kraft von weniger gutem Bachwasser wird gutes Quellwasser über mehr als 60 Höhenmeter den Berg hinauf befördert, eine raffinierte Ingenieursleistung der damaligen Zeit. Das funktioniert noch heute.
Ich laufe eine Weile mit einer Frau zusammen, die ihren ersten Marathon macht. Sie ist allein gekommen und hat niemanden aus ihrem Verein in ihr Vorhaben eingeweiht. Für einen Neuling läuft sie erstaunlich gleichmäßig und unbeirrt.
Als ich ins Ziel komme, ist es schon fast dunkel. Ich würde gern noch weiter laufen in die Nacht hinein, immer den Radweg längs bis nach Kassel und nach Haus. Dann hätte ich exakt 100 km.
In der Halle zurück, treffe ich die Frau mit dem ersten Marathon. Selbstverständlich hat sie es geschafft, und jetzt zieht sie sich in einem stillen Winkel um, weil der schlaue Hausmeister die Haupttür zu den Umkleiden abgeschlossen hat. "Die Duschen sind schon kalt, das kann ich nicht verantworten, dass da noch jemand drunter geht!" Na ja, das waren sie doch jedes Jahr um diese Zeit.
Die Siegererhrung in ihrer Reihenfolge ist unorthodox. Der Gesamtsieger mit seinen 53 Jahren ist genau so alt wie ich. Bei den Frauen tummeln sich viele mit bekannten Namen vorn: Constanze Wagner, Birgit Lennartz, Anke Drescher. Werner Sonntag wird speziell geehrt und bekommt ein Bild aus der Zeit, als die Veranstaltung neu war und auf dem er selbst drauf ist.
In der Halle sehen alle heiter aus, es hat keine schlimmen Ereignisse gegeben. Viele Anwesende sind Ultramarathonis, kennen sich untereinander und reden.
Das war für alle mal wieder eine gelungene Aktion gegen den Novemberblues.
© Elisabeth Herms-Lübbe, 04. Dezember 2003
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