Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Bericht Volkers Sohn in Ostfriesland - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2004)

Zufälliges Zitat

"Das Ultralaufen hat seinen Grund hauptsächlich in einer Charaktereigenschaft, nämlich einer gewissen Rastlosigkeit, verbunden mit der Vision von weiten Horizonten."

Elisabeth Herms-Lübbe

Nächster Ultramarathon

Frank Berka , 11. Oktober 2004

Volkers Sohn in Ostfriesland

10.10.2004 Ems-Jade-Lauf von Emden nach Wilhelmshaven

fb. Jaja, ich sehe sie schon vor dem Bildschirm sitzen, die Historiker und Geografen. Der Ems-Jade-Lauf geht natürlich nicht nur durch Ostfriesland, sondern auch durch (den Landkreis) Friesland und die Stadt Wilhelmshaven. Aber bis wir dort ankamen, war einiges zu laufen. Darum der Reihe nach.

Es kommt eher selten vor, dass wir am Vortag anreisen. Aber schon bei der Planung unseres Borkum-Urlaubs haben meine Frau Gudrun und ich vereinbart, dass wir mit dem Ems-Jade-Lauf einen Besuch der Emder Kunsthalle verbinden. Die Stammausstellung ist ja allein eine Reise wert - besonders die drei kleinen blauen Pferdchen von Franz Marc -, aber in diesen Tagen gibt es eine Sonderausstellung mit Bildern des Norwegers Edvard Munch. Also mit Manfred Ditzfeld (Trauzeuge, Staffelläufer und Helfer) und unserer Freundin Petra verabredet und hinein ins Museum. Manfred glaubte bis zuletzt, wir würden den "Schrei" mitbringen, aber erstens waren das andere und zweitens passte der sowieso nicht in die Ausstellung, weil er aus einer anderen Schaffensphase des Künstlers stammt (habe ich so gelernt). Einzig der anschließende Besuch im Museumscafe war nicht so prickelnd. Das schöne Wetter lockte offenbar zu viele Leute ins Museum und Cafe und das Personal war hoffnungslos überfordert.

Den Läufern machte es natürlich Laune, dass die Sonne bei fast wolkenlosem Himmel schien. Also durch die Fußgängerzone zur Anmeldung: Hier wartete schon Jürgen Gawlick-Daniel, einer der Hauptorganisatoren und unser Quartiersgeber und, was noch wichtiger ist, seit unserem Referendariat 1995-1997 in Aurich ein sehr guter Freund. Überhaupt, das war es ja, was den Lauf für mich so besonders machte. Zwei Jahre habe ich hier gelebt und bin gelaufen, gelaufen und gelaufen. Und so müssen in diesem Bericht viele gute Freundinnen und Freunde erwähnt werden, wehe mir, ich vergesse jemanden.

Und da kamen auch schon welche aus meinem neuen (Ultra-) Leben: Ultrajörg König und Torsten Schacht (PS für "Frau Werwolf" Gabi Leidner: Ich weiß jetzt, was 2RS10 bedeutet, und du kannst es dir allein aus diesem Satz erschließen).

Den Abend beschloss eine kleine fröhliche Runde bei Anneliese, Kea und Jürgen. Hier lauschten Manfred, Talea und Albert Groen, auf was für verrückte Ideen man so kommen kann (mehr auf den Webseiten die sich mit Ultramarathonlaufen beschäftigen).

Morgendliches Aufstehen mag ich ja gar nicht, egal, was da komme. Aber um sechs Uhr stand Arend Heise in der Tür und Jürgen musste wieder zur Anmeldung, also alles rein in den Beutel und los. Dort trudelten sie so nach und nach ein, einige mit dem Sammelbus aus Wilhelmshaven: die Andrés Dreilich und Willems, Klaus-Dieter Mauritz und - er sollte heute noch eine Rolle spielen - Folkert Redenius. Kurz vor acht Uhr im Gänsemarsch 400 m zum Start. Es war wolkenlos aber noch kühl. Was anziehen und was nicht, war das Hauptgesprächsthema. Borkumgehärtet verzichtete ich auf lange Ärmel oder Hosenbeine und vertraute auf die aufgehende Sonne. Die Kleiderbeutel ab zu Fred Ibeling in den Transporter und dann ging es auch schon unter dem Rathausbogen los. 1 km durch die noch verschlafene Straße, dann zum ersten technischen Highlight, der Kesselschleuse. Wir waren am Kanal. Das Feld sortierte sich ein wenig: Torsten nahm sich eines Novizen an, Jörg begann verhalten, Folkert war längst weg, Arend und die Andrés waren nicht mehr zu sehen, aber Klaus-Dieter noch in Rufweite.

Bei Wolthusen lief man erstmals aus dem Schatten heraus. Ganz leichte Wärme von der Sonne. Aber, und da brauchte man nicht erst auf die Ausrichtung der Strommühlen zu achten, heute sollte Ostwind sein. Nicht sehr stark für Ostfriesen, doch Gegenwind ist so ziemlich das Subjektivste in der Läuferwelt. Es machte mir nicht so viel aus, das war ich ja noch von Borkum gewöhnt. Manch andere haben sich hinterher schon etwas beklagt.

So langsam fand ich meinen Rhythmus (Autokorrektur will das so schreiben!). Und war bei Klaus-Dieter und einem Weltraumjogger aus Berlin (stand jedenfalls auf dem Trikot). Ein 6er Schnitt, das sagt den meisten Lesern etwas. Bei Riepe verließ man den Kanal für eine kurze Zeit. Am dortigen Verpflegungsstand fiel Klaus-Dieter etwas zurück. Die Klappbrücke am Bangsteder Verlaat kannte ich noch, hier habe ich früher öfter gewartet. Gewartet hatte auch Albert, und zwar am Verpflegungspunkt bei km 19,5 (in Westerende). Dort, wo ich Cola mit Malzbier verwechselt habe, was aber folgenlos blieb. Die Verpflegung war top. Wasser, Cola unbegrenzt (Jubel bei allen Ultras), Apfelschorle für die, die gerne in die Büsche wollen, um ihren Einbruch zu entschuldigen, warmen Tee, Kekse und Bananen waren überall vorhanden.

Und wo ich schon mal dabei bin, möchte ich die Kilometrierung hervorheben. Eduard Tjarks, ein weiterer Hauptorganisator und selbst aktiver Ultraläufer, hat jeden Kilometer deutlich mit weißer Farbe markiert, so dass man immer wusste, wo man war. Das ist ungemein wichtig für die Läuferpsyche. Und die Vermessung war genau, nicht so Pi mal Daumen wie schon so oft erlebt. Genug des Lobes, weiterlaufen, jetzt mit Albert und wieder hinter Klaus-Dieter, der nach und nach davonzog. Rahe - Haxtum und bei km 25 wurde man am Auricher Hafen von einer großen Zuschauermenge und per Mikrofon persönlich begrüßt, nachdem Astrid Lübben dafür gesorgt hat, dass man an der Julianenburger Straße nicht aus der Kurve flog. Inzwischen stiegen die Sonne und die Temperaturen. Der Auricher Kanaleinschnitt war auch recht windgeschützt. Im Gleichschritt mit Albert, den hier natürlich alle kannten, ging es Richtung Wiesens. Welch ein Gefühl, hier zu laufen, wo wir alte TuS-Aurich-Ost-Garde uns vor acht Jahren an die 40 Minuten-Grenze für 10 km herantrainiert haben. Und wo der LT des TuS noch heute seine Runden dreht. Bei km 30 immer noch exakt im 6er Schnitt kam die Zeit für Taleas Powerbar. Und schon war man bei km 36, Halbzeit stand da. Na ja, halbe Strecke ja, aber halbe Zeit? Noch etwas weiter stand auf dem Boden "höchster Punkt der Strecke". Albert erläuterte Torsten und mir, dass wir ca. 12 m über NN waren. Torsten? Ja, der war bei km 33 aufgelaufen und hatte sich eingereiht. Bei km 39 (Verpflegungspunkt mit Stefan Schewiola) drehte Albert ab, so dass wir zu zweit auf den Marathon zuliefen. An der Marke 4:13 Std., also immer noch im 6er Tempo. Zählt die Zwischenzeit im Rahmen eines Ultras eigentlich für die Hahn-Wertung (etwas für Insider), wenn ja, wir können sie beide gebrauchen. Hier irgendwo trafen wir auch Uwe Benthien, der fleißig fotografierte.

Inzwischen mehrten sich die Staffelläufer, die an uns vorbeizogen. Der erste hatte mit seinem Team nach 35 km die Stunde Vorgabe (die Staffeln starteten um 9.00 Uhr) aufgeholt. Die Staffelläufer, die gerade unterwegs waren, waren kein Problem. Aber nun wurde es an den Wechselstellen eng. In Upschört (km 45) war der erste Wechselpunkt, an dem man das Rennen vorzeitig beenden und sich Ultra (= mehr als Marathon gelaufen) nennen konnte. Dort stand André Willems. Es war aber nicht kurzfristig zu erfahren, warum André heute mit 45 km fertig hatte.

Zwei weitere km waren vergangen, als Torsten sich entschied, die Gruppe vor uns aufzurollen (bei km 45 hatte er noch auf mich gewartet, als ich Kekse aß, obwohl ich ihn dort schon "schicken wollte"). Nun, die Gruppe bestand soweit von hinten erkennbar nur noch aus einer Frau: Thea Klaaßen, wie wir nachher erfuhren. Immerhin konnten sie sich noch nicht entscheidend absetzen. Aber sie überholten Arend. Und ich kam auch näher, bei km 49 eine kurze Unterhaltung und weiter ging es.

50 km waren nach 5:01 Std. passiert, Zufriedenheit, ein Blick in die weiten Ländereien, Genusslauf. Bei km 52 (Reepsholt) ein negatives Moment: War der Verpflegungsstand noch prima betreut, so wollte ich doch nur meine Becher trinkend die nächsten Meter weitergehen. Das verwechselten irgendwelche Staffelwartemännchen wohl mit aussteigen. Das war nix mit Platz machen, trotz zweistelliger Startnummer. Also drumrum und bedankt.

Noch einmal verließ man den Kanal für einige schattige und windgeschützte Meter, aber mich verließen nun auch vorübergehend etwas die Kräfte. Anstatt kurzfristig von Punkt zu Punkt zu denken, dachte ich an "noch 19 km". Wie immer in solchen Krisen: Etwas essen (der mitgenommene Powerbar), ein paar Meter gehen, antraben und (langsam laufend) abwarten, bis die Krise vergeht.

Und so war es dann auch. Ich wusste ja, dass Jürgen in Abickhafe (km 56) steht und war längst wieder munter, als ich die Klappbrücke überquerte und wir uns begrüßten. Jetzt kamen drei Zwischenziele näher: Die Sechs-Stunden-Marke, die 60 km und der Verpflegungsstand bei km 61 mit Gudrun, Kea und Anneliese. Zwischenziele stärken. Das Rennen wird ja noch mehr mit dem Kopf als mit den Beinen gelaufen - und der Kopf ist ehrgeizig, die Ziele zu erreichen. 58,8 km bei 6 Stunden, also Jahrsbestleistung, 6:07 Std. bei 60 km, also Bestleistung (erst zum zweiten Mal so weit gekommen). Und - wie erfreulich, Torsten und Thea wurden immer deutlicher zu sehen. Mit den Erfolgen und dem schönen Wetter hätte man sich auch ins Gras legen und den Rest des Tages genießen können, als Dykhausen und der letzte Staffelwechselpunkt (km 61) erreicht waren. Großes Hallo und eine Umarmung, Verpflegung nehmen und auf in die letzte Etappe.

Natürlich fielen die Schritte jetzt etwas schwerer, als es unter der A 29 nach Sanderbusch ging. Waren zuvor fast nur Läuferbegleitungen mit dem Rad unterwegs, kamen nun die Ausflügler aus dem Großraum Wilhelmshaven dazu. Die meisten waren sehr diszipliniert, so dass man auch gegen 15 Uhr noch in Ruhe sein Rennen laufen und bei km 66 Torsten und Thea überholen konnte. Arend kam auch nicht näher, aber da vorne, da war eindeutig Klaus-Dieter zu erkennen. Nach diversen Niederlagen der letzten Monate die Chance, nicht nur Torsten, sondern auch ihn zu besiegen.

Aber erst einmal Kopf einziehen. Wie schon angekündigt folgte eine Streckenänderung. Um nicht u.U. an den geschlossenen Bahnschranken in Sande warten zu müssen - das kennt man von der Tour de France -, wurde die Laufstrecke auf die andere Kanalseite verlegt. Die Eisenbahnklappbrücke hat im Bereich des Grasweges aber nur eine lichte Höhe von ca. 1,40 m - abzüglich einiger cm für eine Auspolsterung.

Schon in Wilhelmshaven war es bei km 69,5 soweit, Klaus-Dieter wurde überholt. Nur nicht mehr nachlassen, auch nicht bei km 70, wo ein Polizist sich zwar um die Autos kümmerte, aber den Läufern nicht klarmachte, dass sie hier auch über die Straße laufen und dann rechts abbiegen sollten. Eduards Pfeil, gerade noch entdeckt, rettete mich und auch Klaus-Dieter. Thea und Torsten aber nutzten die Unaufmerksamkeit des Polizisten dazu, um noch ein wenig auf dem Banter Weg weiterzulaufen, ehe sie umdrehten.

Km 71, ein Blick auf Handelshafen und eine schöne Brücke und da war sie auch schon, die Zielgasse mit zahlreichen Zuschauern und (fertigen) Staffelläufern, die ihre Kameraden und die Ultras freundlich begrüßten. Dazu gehörte auch Helmut Rosieka, der sich vom Otterndorfer Marathon im Kreise seiner Staffelkameraden erholte und herzlich gratulierte. Über Mikrofon wurden alle informiert, wer da gerade nach 72 km einlief. Mit 7:26:29 Stunden überquerte ich den Zielstrich. Keine 30 Sekunden später war Klaus-Dieter drin. Und noch ehe Bärbel und Ewald Lehmann richtig begrüßt werden konnten, waren Jörg, Thea und Torsten auch schon da.

Beutel bei Fred abgeholt und ab zum Duschen. Warme Duschen, herrlich nach dem Rennen. Und die üblichen Gespräche von "schön, wenn der Schmerz nachlässt" bis "bist du nächste Woche beim Alstermarathon?" und "in zwei Wochen ist ein kleiner, aber feiner Marathon in Bremerhaven - oder fährst du nach Braunschweig?".

In der Halle gab es erst einmal einen Eintopf für alle Ultras - und ein alkoholfreies Weißbier aus einer Brauerei in Erding bei München. Ein wenig Werbung darf an dieser Stelle mal sein, und zwar für das Team aus dem Massageraum.

So kam man zu Kräften, um der Siegerehrung zu lauschen. Harald Klaus aus Essen gewann in 5:49 Std. vor dem Neerstedter Holger Büsing (5:59:54 Std., welch ein Timing). Und Dritter wurde Folkert Redenius (Ihrhove, 6:17 Std.), mit dem ich mich noch vor sieben Jahren bei seinen ersten Volksläufen duelliert habe. Dass auch André Dreilich das ganze Rennen nicht gesehen wurde, lag daran, dass er weit vorne auf Platz 5 ankam - kurz vor der Siegerin der Damenwertung. Diese gewann Anke Drescher (Hanau-Rodenbach) in 6:34 Std. Thea Klaaßen (Westoverledingen) wurde in 7:40 Std. trotz des kleinen Umwegs mit Torsten zweite Frau vor Brigitta Biermanski (Puderbach, 7:52 Std.).

55 Ultras erreichten Wilhelmshaven, 9 beendeten Ihr Rennen bei km 45, 52 oder 61 ebenfalls als Ultra und kamen so in die ergänzende Wertung. Die Entscheidung, "vorzeitig" rauszugehen, fordert manchmal mehr Respekt als die, das Rennen unter allen Umständen durchzuziehen. 91 Staffeln mit rund 450 Aktiven waren am Start, so dass über 500 Sportler beteiligt waren.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Erlös der gesamten Veranstaltung dem gemeinnützigen Verein für Leukämie- und Krebsforschung e.V., Graf-Enno-Str. 24, 26603 Aurich zugute kommt. Wer zum Erlös noch ein wenig beitragen möchte, kann eine Spende auf das Konto Nr. 24 000 bei der Sparkasse Aurich-Norden, BLZ 283 500 00 einzahlen oder überweisen.

An dieser Stelle kommt regelmäßig der Dank an alle Helfer. Es waren außer den Genannten über 150 aus den (Ost-) Friesischen und Wilhelmshavener Laufsportvereinen und der Polizei, der freiwilligen Feuerwehren und vom DRK.

Wenn auch einige Teilnehmer mit dem Ostwind keine Freundschaft geschlossen haben, so sind doch alle zufrieden nach Hause gefahren - mit schönen Erinnerungen an den vierten Ems-Jade-Lauf, der sich trotz der Konkurrenz durch Stadtmarathons in Essen oder München in der Laufsportszene bundesweit etabliert hat. Und der sogar internationale Beteiligung vermelden kann.

Aus der Ergebnisliste:

  • 3. Ges. / 1. M 40 in 6:17:56 Folkert Redenius
  • 5. Ges. / 3. M 40 in 6:26:07 André Dreilich
  • 23. Ges. / 7. M 30 in 7:26:29 Frank Berka
  • 24. Ges. / 6. M 50 in 7:26:55 Klaus-Dieter Mauritz
  • 25. Ges. / 1. M 60 in 7:30:27 Arend Heise
  • 30. Ges. / 7. M 50 in 7:39:21 Jörg König
  • 31. Ges. / 15. M 40 in 7:40:25 Torsten Schacht
  • 32. Ges. / 2. W 30 in 7:40:26 Thea Klaaßen

Links: Ergebnisse und Fotos unter www.on-online.de, Homepage des Ems-Jade-Laufs unter www.ems-jade-lauf.de (mit ausführlicher Streckenbeschreibung).

Frank Berka


© Frank Berka, 11. Oktober 2004

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