Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Bericht Gedanken zum Deutschlandlauf 2005 - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2005)

Zufälliges Zitat

"Der Unterschied zwischen Betreuern und Läufern ist der ShinSplint"

Müder Steppenhahn nach den 6-Tagen von Erkrath

Nächster Ultramarathon

Günter Böhnke , 03. Oktober 2005

Gedanken zum Deutschlandlauf 2005

1.200 km in 17 Tagen
Von Kap Arkona auf Rügen nach Lörrach nahe der Schweizer Grenze

12. - 28. September 2005

www.deutschlandlauf.com

One road is paved in gold
One road is just a road

(Patti Smith, my blakean year, Songtext, CD: trampin’)

Ein Etappenlauf wie der DL 2005 wird von einem Großteil der Teilnehmer/-innen unterschätzt. Gut trainiert und hoch motiviert wird er zumeist zu schnell angegangen:

"Aber ich lauf doch schon sooooo langsam" "Ich kann gar nicht langsamer laufen" ist unter anderem zu hören. Zudem möchte der eine oder andere nicht zu spät ins Ziel kommen, locken Dusche, Essen und Zeit zur Regeneration, beginnt der Wettkampf nicht nur um Spitzenplätze, beginnt der Vergleich mit anderen Läufer/-innen: "So schnell wie der/die bin ich allemal". Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten, liegen die längsten Etappen doch gleich am Beginn des DL 2005, ist der Körper diese Belastungen in täglicher Abfolge auch bei ausreichendem Training nicht gewohnt, braucht mindestens 5-6 Tage, um sich soweit möglich darauf einzustellen. Bereits am 3. Tag, auf der mit ca. 93 km längsten Etappe, zusätzlich erschwert durch heftigen Gegenwind, scheiden die ersten 5 Teilnehmer/-innen aus. Danach setzen sich die Ausfälle bis zur 10. Etappe fort, dann endlich hat sich das Teilnehmerfeld stabilisiert. Von 67 Startern/-innen sind 38 übrig geblieben, nur noch einer wird später leider kapitulieren müssen. Bei vielen der 37 durchgekommenen Teilnehmern/-innen zeigt sich, daß ab der 4. - 7. Etappe die Laufzeiten pro km zum Teil drastisch ansteigen, die Tour der Leiden, der Läuterung beginnt. Jetzt wird offenbar, daß man, gezwungenermaßen, doch langsamer laufen kann.

One road is just a road.

Mit Begeisterung, Eifer und Marathonzeiten unter 3 Stunden allein ist man den Schwierigkeiten eines solchen Etappenlaufes nicht gewachsen, sind diese Eigenschaften oft geradezu hinderlich. Der DL ist kein Lauf der mit Sprints, hoher Grundschnelligkeit, Stolz und hochfliegenden Zielen durchgestanden wird. Er ist ein Lauf der Geduld, der Ausdauer und Zähigkeit, der Kenntnis und Einteilung der eigenen Fähigkeiten. Dabei ist insbesondere der Geist zu zügeln. Schnell gelangt man an den Punkt, wie ihn Stephanie Ehret im Gespräch mit Uli Schulte beschrieben hat: "Dieser Lauf demütigt einen". Unmittelbar darauf stellt sich die Frage, wie gehe ich mit dieser Demütigung um? Möchte mein Ego doch groß und stark sein, ob seiner Leistung bewundert werden. Möchte nicht vom Läufer zum mit Verletzungen und dem Zeitlimit ringenden Wanderer erniedrigt werden (Verletzungen: zumeist Knochenhautreizungen (shin splints), Probleme mit der Achillessehne, Blasen). Möchte nicht lange Geraden endlos dahinkriechen, obwohl auch gehend nach einigen Minuten die nächste Kurve erreicht ist. Die Zeit verlangsamt sich unangenehm, während der Geist rast, wütet wenn sich nach der Kurve die nächste lange Gerade bis zum Horizont entfaltet. Schnell kapituliert dann der zu Beginn so forsche Geist, macht Schluß, steigt aus. Wohl dem, der in sich ruht.

One road is just a road.

Da manchmal mehr Mut erforderlich ist bewußt auszusteigen, als weiterzulaufen, stellen sich Fluchtgedanken ein, die Ingo Schulze, Organisator und selbst erfahrener Etappenläufer, treffend beschreibt: "Hoffentlich kommt ein Auto, das mich anfährt. Aber es kam keines, noch nicht einmal ein Fußgänger, der mich anrempelt. Also mußte ich weiter." Diese Phase erlebte ich am 7. + 8. Tag, als mich, nicht ernsthafte, Magen- und Darmprobleme plagten. Die Gedanken kreisen dann, bereits eine Rationalisierung, um die Sinnlosigkeit eines solchen Unterfangens. Eine Konsequenz davon, daß ich mich auf diesen Lauf mental nicht vorbereitet habe. Beim Transeuropalauf 2003 war die mentale Einstimmung, eine Form von Autosuggestion, wesentliches Element meines Trainings gewesen. Hätte ich darauf verzichtet, in Moskau wäre ich nicht angekommen. Einer der interessantesten Gedanken, den ich in diesem Zusammenhang hörte war: "Ich habe den Lauf zu langsam begonnen, mich müde gelaufen".

One road is just a road.

Aber auch auf andere Weise lernt man sich oft in erschreckender Weise kennen, wie ich am eigenen Leibe erfahren mußte. Beleidigte ich doch in krasser Weise Betreuer und Betreuerin an einem Verpflegungspunkt, nachdem am 3. Tag in Folge kein Mineralwasser mit Kohlensäure vorhanden war. Unmittelbar brach sich ein anderer, ansonsten verdeckter Teil von mir Bahn. Sekunden später wurde mir bewußt, was ich eigentlich gesagt habe, entschuldigte mich zwar, aber gesagt ist gesagt. Auch dies im Nachhinein eine Demütigung, ein Stück Erfahrung: Wer bin ich eigentlich?

One road is just a road.

Gerade in den unvermeidlichen Krisen und Belastungen wird der Lauf, die Plazierung immer bedeutungsloser, beginnt das eigentliche Abenteuer, der goldene Weg, die Auseinandersetzung mit sich selbst, dem verletzten Ego, den unguten Gefühlen, den Schmerzen, den eigenen Schwächen, das Abenteuer Selbsterfahrung. Es kommt dann kaum noch auf das äußere Tun, dem Laufen, an, sondern auf die innere Haltung. Vermeintlich Starke scheiden dann aus, vermeintlich Schwache kämpfen in bewundernswerter Weise ums Durchkommen, gelangen ins Ziel. Sie, so denke und fühle ich, sind die wahren Sieger, haben viel durchgemacht, sich selbst besser kennengelernt, können stolz sein, ohne eitel zu wirken. Mike nach ca. 15 Stunden am 11 Tag: "Dies war der härteste Kampf meines Lebens" (und ich habe ihn bestanden, vom Autor ergänzt). Dies ist der goldgepflasterte Weg.

One road is paved in gold.

Jeder geht mit diesen Situationen anders um, entwickelt eigene Rezepte. Bei mir ist es eine spezielle Fingerhaltung (bei Interesse: Mudras, Yoga mit dem kleinen Finger, Gertrud Hirschi, Buch) und mein Mantra, das ich tausendfach in mir erklingen lasse. Dabei versuche ich soweit wie möglich mich der Natur zu öffnen, den Geist ruhen zu lassen, die Dinge so anzunehmen wie sie sind. Damit wird das Laufen leichter, ich ahne etwas von Verbundenheit, Weite und Befreiung (bei Interesse u.a.: Auf dem Wege, Anselm Grün, Buch).

One road is paved in gold.

Dieser Lauf ist bereits Geschichte, doch in seinen Läufern und Läuferinnen lebt er weiter, hat mich als Mensch wieder ein Stück verändert. Unablässig müssen wir wandern, um unseren Lebenslauf zu vollenden.

One road is paved in gold.

Deutschlandlauf 2005 G�nter B�hnke

Den noch zweifelnden Leser/-in möchte ich den DL 2006 oder 2007 ans Herz legen:

Einen Lauf seh ich winken,
aber ach! der Mut, er fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken!
Seine Wege sind beseelt.
Du mußt glauben, du mußt wagen,
denn die Götter leihn kein Pfand.
Nur ein Schritt kann dich tragen
in das schöne Wunderland.

(frei nach Friedrich Schiller, im Original vertont von Dhalia, Sehnsucht, Lied, CD: Celtic Dreams and Dances)

Mein stärkstes Gefühl nach dem Lauf - Dankbarkeit.

One road is paved in gold.


© Günter Böhnke, 03. Oktober 2005

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