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Lapland-Ultra von Stephan Hloucal
100 km unter der Mitternachtssonne
Ich hatte diesen Lauf im Internet unter http://www.laplandultra.nu entdeckt und für mich stand fest, da muss ich hin. Der mehrsprachigen Homepage war zu entnehmen 1999: 27 Starter, 14 Finisher; 2000: 25 Starter, 13 Finisher. Das reizte mich besonders, da mir das Laufen im Rudel eines Stadtmarathons ohnehin keinen Spaß bereitet. Der Lappland-Ultra ist in keiner Hinsicht mit einem anderen 100er vergleichbar. Bereits schon die Anreise von Erfurt in Thüringen bis nach Adak, etwa 100 km unterhalb des nördlichen Polarkreises, legt einen Urlaubsaufenthalt im Norden Schwedens nahe. Man fährt ja nicht eben mal so 2.500 km mit dem Auto zum Start und dann wieder zurück. Außerdem, wo anders auf diesem Planet kann man 100 km in der Mitternachtssonne laufen? Gesagt, getan. Die anfängliche Skepsis meiner Frau wich sehr schnell und es sollte für uns eine der schönsten Urlaubsreisen werden.
Aus unserem Kleinbus wurden die hinteren Sitzreihen entfernt, Zelt, Faltboote, Proviant und ausreichend Treibstoff (Pflanzenöl) für die ganze Reise eingeladen. Mit Husky- Hündin auf dem Gepäckhaufen ging die Reise über Rostock, Trelleborg, Östersund nach Malå, wo wir für eine Woche unser Zelt aufschlugen.
Start und Ziel des Laufs sind in Adak, einem kleinen verträumten Ort mit etwa 250 Einwohnern, der in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Vergnügungszentrum der Bergarbeiter in der Goldregion in Lapland war. Am Freitag, den 29. Juni 2001, ist auf dem Schulgelände und dem angrenzenden Sportplatz Volksfeststimmung. Die Einwohner der Umgebung treffen sich, es wird gebraten, ein Chor singt Volkslieder und führt Volkstänze aus Skandinavien auf. Ein Countrysänger sorgt für Stimmung. Es werden an Ständen verschiedene Kunstgewerbeartikel und Kitsch feilgeboten. Ein US- Car Club führt auf dem Sportplatz alte amerikanische Straßenkreuzer vor. Man schwatzt mit einander und in einem Samizelt kann man Rentierfelle und geräuchertes Rentierfleisch kaufen. Alles sehr familiär. Es geht langsam auf 10 Uhr zu und es wird zum Start aufgerufen.
Das Starterfeld ist sehr überschaubar. 49 Läuferinnen und Läufer gehen an den Start. Der Großteil kommt natürlich aus Schweden. Einige kommen aus Finnland und Norwegen. Erstmals starten auch 7 Läufer aus Deutschland, ein Engländer und ein Weißrusse. Einige Starter schauen etwas ungläubig auf meine Husky- Hündin Laika, die bereits seit 5 Jahren meine ständige Laufbegleiterin ist. Ob der Hund die Strecke schaffen wird? Natürlich!
Die Startlinie befindet sich am Ortsausgang auf der Straße nach Kokträsk. Um 10 Uhr abends fällt unter großem Beifall der etwa 100 Zuschauer der Startschuss. Die Sonne steht im Nordwesten noch hoch über dem Horizont. Es ist angenehm warm. Das Läuferfeld zieht sich auf den ersten Kilometern sehr schnell auseinander. Man und Frau läuft mit sich allein. An der Reihenfolge soll sich im wesentlichen bis zum Zieleinlauf nichts ändern. Nach etwa 10 km verlassen wir die Asphaltstraße und biegen auf eine der unzähligen Schotterpisten Lapplands ein. Die kommenden Kilometer sind teilweise schwierig zu laufen, weil der Untergrund aus etwas grobem Kies besteht und relativ weich ist. Ich versuche ständig auf einem festgefahrenen Stück zu laufen. Es geht an weiten Seen und Sümpfen vorbei. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, doch es ist immer noch taghell. Das Abendrot geht fließend in das Morgenrot über und nach 1 Uhr schaut die Sonne bereits wieder über den Horizont. Ich stelle fest, dass ich mich zu einem etwas zu schnellen Tempo habe verleiten lassen. Aber es geht mir blendend und Laika trippelt munter vor mir her. Etwas nervig sind die Begleitfahrzeuge, die zwar sehr großer Rücksicht auf die Läufer nehmen, aber dafür viel Staub aufwirbeln.
Mit dem Kilometer 27 erreichen wir das Korsningen Wasserkraftwerk. Der Fluss Skelleftelälven wir hier zu einem großen See aufgestaut. Die Laufstrecke folgt an einigen Stellen diesem See. Ein erster Anstieg lässt mich ins wandern übergehen. Der Weg ist etwas schwierig zu laufen, da es ständig auf und ab geht. Die Versorgung ist ausgezeichnet. Etwa alle 5 bis 7 km sind kleine, mit bunten Luftballons geschmückten Bretterbuden aufgebaut, in denen freundliche Helfer, teilweise in den farbigen Trachten der Sami gekleidet, sehr liebevoll für das leibliche Wohl der Läuferschar sorgen. Es gibt Wasser, Cola, ein isothonisches Getränk, Tee, Banane, Weißbrotstücke, Schokolade und Orangen sowie an einigen Stellen warme Brühe. Auch für medizinische Betreuung ist gesorgt, an einigen Streckenpunkten werden Massagen angeboten und ein Fahrzeug des Roten Kreuzes überholt mich desöfteren auf der Strecke.
Die Stimmung auf der Strecke ist fantastisch, von allen Helfern an den Stationen und aus den überholenden Begleitfahrzeugen werden wir angefeuert und aufgemuntert.
Die 40 km laufe ich in etwa 4 Stunden. Für die 50 km benötige ich 5 Stunden. Viel zu schnell für einen 100er. Es ist fast wolkenlos und in der Morgendämmerung wird es doch etwas kühl. Nach der Marathonmarke geht es auf der Schotterpiste nahezu geradeaus, dafür ist der Untergrund fest und gut zu laufen. Einzige Abwechslung bieten die Landschaft und die Vögel, die durch die fehlende Dunkelheit nicht zu schlafen scheinen. Aufgeregt ruft ein Kuckuck. Die aufsteigende Sonne wärmt langsam meinen Körper.
Nach 57 km erreichen wir die Fernstraße 45 von Arvidsjaur nach Sorsele. Nach 7 weiteren, mir lang erscheinenden, Kilometern erreiche ich den Wendepunkt der Strecke. In Slagnäs, einer kleinen Ansammlung von Häusern sind 64 km erreicht. Hier befindet sich ein schöner Campingplatz. Laika wird vom Jagdtrieb gepackt, weil an der Verpflegungsbude etliche Enten, Ziegen und Schafe frei umherlaufen. Ich habe Mühe sie zu halten.
Weiter gehts. Von hier sind es nur noch 36 Asphaltkilometer bis zum Ziel in Adak. Nun wird es immer schwerer, die Kräfte lassen spürbar nach. Das grobe Asphaltband will kein Ende nehmen. Von Sunnanå bis Skidnäs sind auf einer Länge von vier Kilometeren nochmals etwa 100 Höhenmeter zu überwinden. Ich sehne mich mittlerweile nach jedem Anstieg, der mir etwas körperlicher Erholung verschafft. Ein stechender Schmerz unter dem linken Fußballen schreckt mich auf. Kleine Steinchen im Schuh haben mit der Zeit eine schmerzende Blase entstehen lassen. Schuh ausziehen, alles reinigen und weiter. Die Landschaft nehme ich nun kaum noch wahr. Mein Blick ist vor mir auf das endlos erscheinende Asphaltband gerichtet. Es ist nun wieder sehr warm geworden. Laika reißt mich in den Straßengraben. Sie will saufen. Auch ihr ist die Anstrengung anzumerken. Sie säuft nun sehr oft. An den Verpflegungsstellen frisst sie Schokolade.
Wir erreichen Lönås. Gott sei Dank! Nur noch 10 km bis ins Ziel. Alle kleinen Anstiege muss ich nun gehen. Dabei tröste ich mich, auch wenn ich von nun an wandern würde, könnte ich das Ziel noch in einer akzeptablen Zeit erreichen. Durchhalten! Ich sehe die ersten Häuser von Adak. Noch zwei Kilometer, dann im Ort eine Kurve, noch eine lange Gerade.
Glücklich erreiche ich mit Laika nach 10:59:48 Stunden das Ziel. Meine Frau empfängt mich mit einem Siegerkranz aus Birkenzweigen. Erstes Fazit: persönliche Bestzeit, Rang 8 in der Gesamtwertung, fix und fertig und eine Blase unter dem linken Fuß. Nun noch ein Photo mit einer hübschen Samifrau. Dieses Bild wird auch auf die Urkunde gedruckt. Eine kleine fast unscheinbare Medaille erinnert mich an den Lappland-Ultra 2001.
Von 49 Startern erreichen 30 nach 100 km das Ziel. Der Streckenrekord wurde im letzten Jahr von dem Schweden Anders Krappe mit 8:47:18 aufgestellt. Den Streckenrekord der Frauen hält seit diesem Jahr Clarinda Larsson aus Stockholm mit 11:12:47. Schnellster Deutscher wurde Axel Pfeiffer aus Frankfurt mit 9:40:11. Er belegte Platz 4. Sein Laufbericht ist unter http://www.laplandultra.nu/100kmtysk/artik01.html zu finden.
Mit Abstand ist der Lapland- Ultra in jeder Hinsicht bisher mein schönster Ultra gewesen. Auch die in den darauffolgenden Tagen gesammelten Eindrücke von unserem Urlaub in Lappland werden unvergessen bleiben.
Stephan Hloucal (s.hloucal@web.de) im Juli 2001