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Untertage-Marathon - Nur für Verrückte?
Untertage-Marathon im ehem. Salzbergwerk in Sondershausen, 700m unter der Erdoberfläche. Nun, wie in so vielen Bereichen ist die Beantwortung dieser Frage auch hier relativ. In fast allen Punkten nicht mit einem normalen "oberirdischen" Marathon vergleichbar; also ein bisschen Verrücktheit gehört sicher dazu, doch ist es normal mit 30 000 weiteren LäuferInnen, kaum den eigenen Rhythmus findend, zwischen zig Pappbechern, als Asphalttreter eine Stadt zu durchlaufen?
Auch wenn der folgende Bericht naturgemäß sehr subjektiv ist, so hoffe ich dennoch, dass er einen kleinen Eindruck von diesem ungewöhnlichen Ereignis vermitteln kann.
Zunächst einmal die reinen Fakten. Dieser Lauf findet in einem ehemaligen und zur Touristenattraktion ausgebautem Salzbergwerk statt. Mit rund 4m/sec geht's in einem unbeleuchteten, auch in der Höhe engen, "Fahrstuhl" (die Einstiegsseite ist nur durch eine feste Plane gesichert) in 3 bis 3,5 min bis auf rund 700m abwärts. Die Laufstrecke ist alle 30-40m mit einer Leuchtstoffröhre beleuchtet. Die Temperatur beträgt durchschnittlich 25 Grad bei ca. 30% Luft"feuchtig"keit. Anstiege von 12-13% (auf nachträgliche Anfrage hin wurde mir bestätigt, dass es teilweise noch erheblich steiler war) erwarten die Läuferschar. Die Angabe über die zu bewältigenden Höhenmeter sind (mir) nicht gesichert bekannt; hier schwanken die Zahlen von 800 bis über 1000 HM, nicht erläutert ob nur Steigungs- oder auch Gefälle-HM. Anhand der der Ausschreibung beiliegenden Profilskizze kam ich allerdings auf rund 310 reinen Steigungs-HM pro Runde! Nach meinen eigenen Laufeindrücken (auch der Endzeit) halte ich dies für realistisch.
Soweit zu den Fakten; diese sagen aber noch lange nichts über das volle Ausmaß der zu bewältigenden ungewöhnlichen Probleme aus. Und hier beginnt jetzt die Subjektivität des Berichts.
Als ich im letzten Jahr vom Untertage-Marathon erfuhr, ausgerichtet vom 100 Marathon Club als eher "private" Veranstaltung (über die Frage, wer hat in Sondershausen den ersten Marathon bestritten, wurde auch bei dieser Veranstaltung "ganz offiziell" diskutiert), war eine Teilnahme für mich sportlich zu früh und terminlich ohnehin zu spät. Doch ich war bereits damals von dieser Idee fasziniert. Als "Trost" blieb mir dann nur der Lauf im Alten Elbtunnel in HH einige Monate später. Mittlerweile mehr Landschafts-(Ultra-)Läufer habe ich dennoch die Gelegenheit, in diesem Jahr an dem nunmehr ganz offiziell von zwei thüringischen Vereinen im Verbund ausgerichteten Marathon teilzunehmen, sofort ergriffen. Irgendwie kam mir das Ganze zu verrückt vor, um es NICHT zu machen.
Eine sehr schöne und darüber hinaus preiswerte Jugendherberge in Sondershausen machte mir das Warten von Freitag auf Samstag äußerst angenehm. Die Örtlichkeiten nun schon bekannt, konnte ich dann am Wettkampfmorgen gelassen die wenigen km bis zum Bergwerk fahren. Mit einer Mischung aus Respekt vor dem was da auf mich zukommen sollte und überwiegend starker Vorfreude erledigte ich die letzten reibungslos funktionierenden Formalitäten und mit kleinem Rucksack mit ein paar Wechselsachen bepackt ging's dann auch recht bald "in die Tiefe". Das Gefühl, jetzt für Stunden weit unterhalb der Erdoberfläche mich aufzuhalten, beschäftigte mich aber wider Erwarten (auch während des Laufes) weit weniger als vorher befürchtet. Unten angekommen überraschte mich zugleich die Weitläufigkeit des Geländes, da kam nun wirklich kein Gefühl von "Krabbeln müssen" auf. Noch reichlich Zeit schaute ich mich ein bisschen weiter um und war perplex ob der angebotenen Räumlichkeiten. Da gab es nicht nur ganz "normale" WC-Räume, moderner als mancherorts übertage, sondern auch Theken (samt Bier und Würstchen), Imbisstische, zwei Festsäle (der größerer, abfallend wie ein Amphitheater, diente der abschließenden Siegerehrung) - alles schon stark beeindruckend, wenn man sich klar machte, WO man sich befand.
Kurz vorm Start verglich der Veranstalter bei seinen erläuternden/mahnenden Worten diesen Marathon mit dem Jungfrau-Marathon. Diesen selbst erst vor wenigen Wochen gelaufen musste ich ein wenig grinsen; doch verging mir das Grinsen bereits nach kurzer Zeit innerhalb der ersten von vier zu absolvierenden Runden. Stärker als geglaubt ging's gleich zu Beginn bergauf. Bis zum ersten Verpflegungspunkt bei ungefähr km 2,5 (insgesamt auf der Strecke befanden sich 4, ca. alle 2,5km, vorbildlich!) waren bereits etliche HM zu bewältigen, hier war mehr Bergauf- als Bergablaufen angesagt. Die nächsten 2,5km ging's überwiegend bergab, nur um zu dem nötigen Tiefpunkt für den m.E. nach dann beginnenden schwierigsten Part zu gelangen. Nach der letzten Verpflegungsstation ging's zunächst lang gezogen leicht ansteigend, eigentlich aber nun aufgrund der "Vorgeschichte" kaum spürbar, weiter und zum Schluss kam dann bis zum Ziel ein schöner Bergabbereich, quasi um für den gleich zu Beginn der nächsten Runde wieder zu bewältigenden Anstieg Kräfte sammeln zu können.
Weniger als ich dachte bereiteten mir Temperatur und Luftfeuchtigkeit Probleme. Eigentlich muss ich sagen habe ich dies überhaupt nicht als störend empfunden, allerdings nahm ich auch regelmäßig i.d.R. gleich zwei Becher Wasser zu mir. Auch der Fahrradhelm (Pflicht!) störte mich praktisch nicht. Unangenehmer empfand ich da schon eher die teilweise nun wirklich nicht optimalen Luft(geruchs)bedingungen.
Ende der ersten (für mich psychisch schwersten) Runde bis Mitte der dritten fand ich nette Begleitung mit Jörg, der mit Rucksack für sein Ziel Marathon des Sables trainierte. Nette Gespräche lenkten mich von den eigentlichen Belastungen sehr gut ab; dies war dann auch der kurzweiligste Part, zumal wir schon ab der Halbmarathondistanz langsam anfingen, die ersten "Schwächelnden" zu überholen. Leider musste ich Jörg dann doch zurücklassen (Sorry Jörg!) und nun begann für mich ein äußerst schwieriger Teil.
Nur noch alleine laufend - oftmals weit und breit keinen Läufer in Sicht - hatte ich genügend Zeit, mich mit mir zu beschäftigen. Nur allzu oft musste ich mich zum positiven Denken zwingen. Um mich herum immer nur das gleiche Bild ("Landschaft" gab's ja nicht!), auf einigen Streckenabschnitten (auch durch Lampenausfall) praktisch nichts sehend, die km in den Beinen bereits deutlich spürend, war die Ausdauerleistung im MENTALEN Bereich gefragt! Auch auf die NULL Zuschauer muss man sich erstmal einstellen! Wohl dem, der sich hier begleitender Unterstützung erfreuen kann. Lediglich die immer wieder vor mir auftauchenden LäuferInnen bauten mich psychisch durch das Überholen auf. Erneut verwundert war ich auch dieses Mal (wie bei fast allen Läufen) über die sehr "ungewöhnliche" Zeiteinteilung vieler Läufer. Ich bin jedes Mal froh, meine km mehr oder weniger durchgehend gleichmäßig abzuspulen, vielleicht sogar in der zweiten Hälfte noch schneller. Überholen und noch (einigermaßen) frisch ins Ziel kommen ist doch allemal besser als gegen Ende überholt zu werden und erschöpft gehend sich völlig ausgelaugt ins Ziel zu retten. Zumindest in meinem Leistungsbereich treffe ich dies nur allzu häufig immer wieder an.
Die Strecke selbst ist nicht nur wegen der Höhenmeter schwierig sondern auch wegen des teils glattem und häufig unebenem Untergrunds. Da man trotz der Beleuchtung den Boden praktisch nie sieht, sind eine gewisse Trittsicherheit und auch gesunde Gelenke/Sehnen nicht unbedingt von Nachteil. Auch dieses Mal gab es wieder diverse mehr oder weniger leicht blutende Sturzverletzungen, wovon ich gottlob verschont blieb.
Die letzten km dann im "Sprint" zurücklegend lief ich dann nach für mich sehr zufrieden stellenden 4:47 Std. glücklich ins Ziel ein. Mit einem "Dietrich, beeile dich, sonst hole ich dich noch ein" hatte ich den vor mir liegenden Lauffreund noch kurz vorm Ziel "gewarnt", nicht ahnend, dass ich mich damit um den dritten Altersklassenplatz gebracht hatte. Na ja, bei nur über 100 Teilnehmern sind die Altersklassenplatzierungen auch nicht so ganz ernst zu nehmen.
Bleibt die eingangs gestellte Frage, ob man verrückt sein muss, sowas mitzumachen. Ich denke, eigentlich nein. Aber bereit, auch mal ungewöhnliche Dinge auf sich zu nehmen und auszuprobieren, sollte man schon sein. Und ein bisschen verrückt, zumindest in den Augen Vieler, sind wir doch alle, oder?
Ein Dank an dieser Stelle dem Veranstalter und besonders den vielen unermüdlich ausharrenden HelferInnen. Für die war's bestimmt auch kein Zuckerschlecken, stundenlang hier meist stehend auszuharren. Eine angenehme Überraschung war dann die sehr fix ausgehändigte Medaille, ungewöhnlich auf der Rückseite mit Name, Datum, Altersklasse und Zeit versehen! Na, und dass das T-Shirt vielleicht etwas origineller hätte gestaltet werden können, fällt dabei nicht mehr ins Gewicht.
Es war alles in allem ein wunderbares Erlebnis!
Nachtrag:
Eine Ergebnisliste soll offiziell nicht ins Internet gestellt werden, mir wurde aber zugesagt, eine solche per Mail zur Verfügung zu stellen. Wer Interesse hat, mag mich anmailen (manfred.iser@t-online.de) oder gelegentlich unter www.100marathon-club.de bzw. www.steppenhahn.de (Siehe unten!) nachsehen.
© Manfred Iser, 27. Oktober 2002
manfred.iser@t-online.de
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