03.2008: Verena konnte sich jetzt endlich durchringen, den Pulsmesser und andere Geschichten in Buchform zu veröffentlichen :-)
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Verena Liebers, 25.06.2006
Mein Arzt
hat gesagt, mein Herz schlägt unökonomisch. Bisher habe ich
mir darüber nie Gedanken gemacht, ich dachte: Hauptsache es
sitzt am rechten Fleck, ich will es ja schließlich nicht
verkaufen. Aber dann fiel mir ein, dass ich es auch immer so
anstrengend finde, wenn ich verliebt bin. Da sich das aber nicht
wirklich vermeiden lässt, sollte ich mein Herz wohl besser
darauf vorbereiten. Vielleicht hat ein wirtschaftliches Herz ja auch
noch andere Vorteile.
Ich soll
im Pulsbereich von 130 trainieren, hatte der Arzt empfohlen. Dazu
habe ich dann meine Freunde befragt. Der Laufgott, der mich in
Otterndorf zu meinem ersten Triathlon gebracht hat, schlug vor den
Arzt zu wechseln, und im sportlichen Pulsbereich von 170 zu
trainieren. Radl-Thommi, mit dem ich meine erste RTF absolviert habe,
meinte, dass ich eben kein Sprinter wäre, aber doch immer noch
vor mich hin diesele, wenn die anderen schon in der Ecke liegen. Da
stellt sich dann natürlich auch die Frage, ob ich mich mit
meinen Freunden austoben will, oder hinterher schlurfen und
anschließend noch zehn Runden anhängen, während die
anderen schon im Biergarten sitzen. Tja und der Steppenhahn hat dann
gesagt: "Vielleicht hast du ja einen anderen Puls als ich."
Das war nun ein ganz unerwarteter Gedanke, denn schließlich
haben wir Stephans Puls lange genug gemessen. Er war fast immer bei
136 und das ist doch der ideale Bereich für mich. Aber Frauen
haben angeblich ein kleineres Herz und deswegen schlägt es viel
öfter als bei den männlichen Kollegen. Mein Gefühl,
dass ich großherzig bin, ist da absolut nicht aussagefähig.
Es fehlten die Beweise. Also habe ich mein Leben komplett verändert
und mir einen Pulsmesser gekauft. Das ist so ähnlich als wenn
man vom VW-Käfer auf Porsche umsteigt. Es ist zwar immer noch
derselbe Körper mit dem man trainiert, aber plötzlich ist
diese Uhr am Handgelenk und sagt: Seht her, ich bin ein Sportler. Nun
stellte sich für mein neues Sportler-Leben jedoch die brennende
Frage: Was messe ich eigentlich? Für den Maximalpuls soll man
sich so anstrengen, wie ich das gar nicht lustig finde. Da sagt meine
innere Uhr immer vorher: Das brauchst du nicht, lass das. Aber
ohne Maximalpuls kann man keine Trainingspläne errechnen und wer
planlos läuft, erreicht letztlich ein Ziel, das er nie erreichen
wollte. Das ist ja dann auch irgendwie schade.
Dann gibt
es aber noch den Ruhepuls. Morgens im Bett, noch vor dem Aufstehen
soll man ihn messen. Jede Aktivität verfälscht die
Ergebnisse. Ich konnte aber noch in keinem Beipackzettel oder
Diskussionsforum heraus finden, wie man sich morgens an Brustgurt
und Pulsuhr kettet, ohne dabei aktiv zu werden. Schlaftrunken
wickele ich mir das Teil immer zunächst an irgendwelche
Signal-losen Stellen. Dann kommt der Schreck, ob ich herzlos bin und
bis dahin muss ich sowieso so dringend auf die Toilette, dass der
Puls wahrscheinlich nur noch den Blasendruck widerspiegelt. Der
Ruhepuls von meinen Sportsfreunden liegt zwischen 41 und 55. Wenn man
die Technik-bedingten Verfälschungen meiner Messungen
berücksichtigt, passe ich mit meinen 48 bis 58 Schlägen pro
Minute wohl ganz gut dazwischen. Aber was sagt mir das jetzt? Wenn
ich uns im Bett vergleiche, passen wir also ganz gut zusammen. Aber
unser Training findet schließlich meistens im Wald statt und
mein Ruhepuls ist sowieso eine sehr flüchtige Größe.
Stephan hat gesagt, wenn ich mich tagsüber hinlege müsste
sich der Ruhepuls auch wieder einstellen. Aber tagsüber sitze
ich am Computer und den so umzubauen, dass ich im Liegen schreiben
kann, ist mir zu umständlich. Außerdem habe ich jetzt erst
einmal fest gestellt wie anstrengend mein Alltag ist: Beim Spülen
klettert der Puls bereits auf 95, wenn das Telefon klingelt steigt er
sofort auf 100. Die weitere Entwicklung hängt dann vom
Gesprächspartner ab. Das ist sowieso so ein Faktor, der in den
ganzen Trainingstabellen nie berücksichtigt wird: Wenn ich
friedlich im Pulsbereich 130 dahin trotte und Stephan macht einen
Witz, dann bin ich sofort bei 145. Der Einsatz der Lachmuskeln wird
beim Lauftraining glaube ich gar nicht eingerechnet. Aber für
manche Leute ist das vielleicht auch nicht relevant, weil sie es
nicht witzig finden über den Nacktschneckencharakter von
Power-Gel oder die Auswirkung von Sport-BHs auf den weiblichen
Wipp-Faktor zu diskutieren. Oder sie kommen gar nicht auf die Idee.
Deswegen fehlen mir auch viele wichtige Vergleichswerte, also zum
Beispiel die durchschnittliche Pulsfrequenz von Langstreckenläufern
beim Spülen oder Nudeln essen. Die Verdauung treibt den Puls
nämlich auch nach oben. Deswegen sieht es, wenn ich hungrig bin
und Stephan gerade frühstückt so aus, als wäre ich
besser trainiert. Aber mit unserem Pulsvergleich das war jetzt
sowieso so eine Sache. Erst einmal war Stephans Pulsmesser schon
verschimmelt von der maßlosen langen Trainingspause und
außerdem hat er keine own zone. Das bedeutet, wenn wir uns
näher kommen, ist sein Puls bei 260. Meine Ausstrahlung und die
von den Hochspannungsmasten spielten dabei wohl auch eine Rolle. Wir
sind dann bei dem Test eben etwas auf Abstand gelaufen und haben uns
durch Zurufe verständigt: 136 - 141- 109 - 108.
Immer der mit dem niedrigeren Wert hat dann gejubelt: "Hihi,
ich bin fitter als du!" Dabei ist natürlich der Puls
wieder angestiegen und die Zeremonie ging von vorne los. Mitten im
Spiel rief uns dann ein Radler zu: "Ihr seht aus wie
Zwillinge!" Im Grunde hatte sich das Puls messen danach ohnehin
erledigt, denn Zwillinge sind ja auch von der körperlichen
Konstitution her sehr gleich gebaut. Während wir diskutierten
auf welches Geschlecht wir uns einigen, wenn wir als eineiige
Zwillinge weiter trainieren, erklommen wir die Himmelsleiter. Die
steht in Wattenscheid und ermöglicht außer einem Puls von
165 auch einen Rundblick von 360 Grad.
Auf dem
letzten Stück von dieser 25 km Tour sagte der Steppenhahn dann
irgendwann: "Ich kann jetzt nicht mehr" und sein Hund
lief auch nur noch in der Hoffnung, bald Wasser zu finden. "Na
prima" erwiderte ich, "das ist ja schön, dass ich
noch so gut mit dir mithalten kann." "Naja, ich bin
vielleicht auch kein Maßstab für Fitness mehr",
versuchte Stephan meine Freude zu dämpfen. Aber mal Hand aufs
Herz, sagte ich mir: Jenseits von GA1 und Hfmax ist es für mich
einfach das Maß der Dinge, wenn ich mit dem Steppenhahn laufen
kann, ohne dass mir die Luft zum Lachen ausgeht.
Der
Stephan sieht das übrigens auch so. Deswegen haben wir dann am
Ende der Himmelsleiter-Tour unsere Pulsmesser ausgeschaltet und sind
einfach nach Hause gewandert.
geschrieben
am 25.Juni 2006 nach einem 2:46h lauf mit Pulsdurchschnitt 129
(maximal 172)
03.2008: Verena konnte sich jetzt endlich durchringen, den Pulsmesser und andere Geschichten in Buchform zu veröffentlichen :-)
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