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Alle zeigen - Bericht von Elisabeth Herms-Lübbe zum Bad Arolser Advent-Wald-Marathon:
Elisabeth Herms-Lübbe , 05.12.2006Advent mit Lothar Leder
Advent mit Lothar Leder
Arolsen war für mich ein Ort meiner Träume, als ich Kind in Norddeutschland war. Mein Patenonkel und meine Tante hatten dort eine kleine Privatklinik, und es gab als Familienerbstück ein Gründerzeitklavier, das mir zugedacht war. Das stand aus Platzmangel in der Turnhalle der Schule und begleitete die gymnastischen Übungen der Schüler. Irgendwann bekam ich es, lernte das Klavier Spielen nicht so recht, und dann stand es Jahrzehnte dekorativ bei meinen Eltern herum. Heute verbreitet es bürgerlichen Charme und das begehrte neokonservative Ambiente in der Berliner Wohnung meiner Tochter. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Arolser Bürger noch an ein traumhaft schönes Klavier mit geschnitzten Frauenköpfen und schrägem Klang. Das ist meins. Und nun vom Arolser Sportklavier zum Marathon.
Manchmal denke ich, ich hätte mehrere Leben hintereinander. Das, als ich mich nach Arolsen sehnte und nach meinem Klavier, ist so verschieden von meinem jetzigen. Dennoch ist mein jetziges voll von körperlicher Kraft, gefühlt: zeitlos, was ich als große Gnade ansehe. Und selbst in meinem jetzigen Läuferleben gibt es schon wieder eine Vergangenheit. Ich war zum sechsten Mal in Arolsen. Der Marathon ist ein Erinnerungsparcours für mich, kaum eine Stelle, mit der ich nichts verbinde. Die Erinnerungen sind meist Begegnungen mit Läufern, kurze Gespräche. Mit Wehmut musste ich jetzt feststellen, dass viele von ihnen nicht mehr dabei sind: keine Lust mehr, verletzt, krank: Im Umfeld meines jetzigen Läuferlebens gibt es erhebliche Erosionen. Zum Beispiel hatte sonst mein Laufverein immer einen ganzen Tisch mit Läufern und Fans im „Haus des Gastes“ im Arolser Stadtteil Wetterburg besetzt, diesmal, am 2.12.2006, nicht. Auch gab es keine Sammelmeldung wie sonst immer. Da wäre ich in diesem Jahr fast zu spät gekommen mit meiner Einzelmeldung. Drei Wochen vor Start Meldeschluss, damit rechnet man normalerweise nicht.
Für die langsame Truppe gibt es in Arolsen einen Frühstart. Eigentlich ist das eine gute Sache. Dann gerät keiner in die Dunkelheit. Damit man sie als solche erkennen konnte, bekamen die Frühstarter andere Startnummern. Die waren recycelt: umgedreht, klein geschnitten, handgemalt. Wie für Kinder. Gerade noch ausreichend, um den Streckenfotografen eine Zuordnung zu ermöglichen. Ganz schön peinlich, diese Nümmerchen.
Da standen wir nun zu siebst eine Stunde früher am Start, der dann ziemlich improvisiert wurde. Alle einmal über das Startbanner gesprungen, das noch auf dem Boden lag, und ab. Es war richtig gemütlich, wie bei meinem Lauftreff, fast noch gemütlicher, das tat gut, das hat die Kräfte so geschont, dass ich später bei 30 km dachte, das ist doch nicht die Möglichkeit, ist ja schon gleich vorbei.
Die Verpflegungsstellen in Arolsen sind recht weit auseinander. Für uns Frühstarter war die erste noch nicht vorhanden. Das erste Getränk kam erst nach 14 km. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich bei km 10 etwas deponieren können, da war ich bei der Anreise mit dem Auto gefahren, aber bei 25 Euro Startgeld hatte ich eigentlich mit „Vollpension“ gerechnet. Andererseits, wenn ich in den vergangenen Jahren nach Normalstart ziemlich spät an die Verpflegungspunkte kam, waren die oftmals schon kahl gegessen, so dass ich mir angewöhnt hatte, einen Schokoriegel einzustecken. Bei so wenig Service kommt dann schon mal der Gedanke ans Schwarzlaufen auf. Die Organisatoren nehmen mich nicht ernst, ich nehme sie nicht ernst. Der Unterschied wäre nicht groß. Und die Waldstrecken stehen allen Erholungssuchenden zur Verfügung, die öffentlichen Straßen und Wege sowieso.
Irgendwann ging das Überholen los. Der Erste kam mit bemerkenswert guter Laune und freundlich grüßend vorbei, dann, nach längerer Zeit, einige andere, und darauf der Stargast Lothar Leder mit seinen Mannen, gefolgt von Radfahrern. Welcher von ihnen war nur Lothar Leder? Wahrscheinlich der mit den breiten Schultern, der bestaussehende der Truppe, Triathleten haben den Ruf, den schönsten Körperbau zu besitzen.
Alle überholten mich, ich kenne ja viele Läufer aller Geschwindigkeiten, und mir wurde nicht langweilig. Jedoch wenn man eine Wettkampfvorstellung im Hinterkopf hat, muss das ja ziemlich deprimierend sein, immer abgehängt zu werden. Das ist nun zum Glück nicht mein Problem.
Dann kam auch schon, und es kam mir gar nicht so lang vor, das Ziel. Danach zwischen den Apfelbäumen, unter denen wie jedes Jahr das Fallobst lag, hinauf zur Halle. Darin saßen dann auch schon die Helden und ihre Angehörigen, und es sah aus wie auf einem Parteitag in Trainingsanzügen.
„Warmes Wasser ist Mangelware“ konnte man vor den Duschen lesen. So ist das in Arolsen. Ich schreibe bewusst nicht Bad Arolsen, denn das mit dem Bad ist irgendwie gelogen. Jedoch in der Damendusche lief es noch lauwarm. Ich hatte mir nur einen Waschlappen und ein Gästehandtuch für eine kalte Notreinigung mitgebracht, und dann diese Überraschung. Auf der Treppe und dem Gang standen in all ihrer Pracht Männer und zogen sich um. Da waren wohl die Umkleideräume zu klein gewesen. „Die Frauen duschen uns all das warme Wasser weg!“ Tja.
Ich liebe die Arolser Strecke wegen ihrer Schönheit, und weil ich so viele Erinnerungen damit verbinde. Dieses Jahr sind schon wieder neue dazu gekommen. Aber die Organisation liebe ich nicht so. Da würde ich mir etwas frischen Wind wünschen, und mehr Kundenfreundlichkeit. Was machen die in Arolsen nur mit dem vielen Startgeld? Lothar Leder bekommt, so habe ich gehört, für einen anderen Start in Nordhessen 2000 Euro. Das wäre eine Erklärung.
Soll ich nächstes Jahr wiederkommen? Werde ich wohl, denn ich muss ja noch meine Urkunde abholen. Eins verstehe ich nicht: Wenn die Technik so hinderlich ist, warum lässt man sie nicht einfach weg? Es dauert manchmal Stunden, bis die Urkunden gedruckt sind, und das nicht nur in Arolsen. Warum nicht vorher in einem Kopierladen einen Stapel Vordrucke machen lassen und dann Namen und Zeit von Hand einschreiben? Ist doch auch in Ordnung. Eigentlich sind Urkunden nicht mehr so besonders wichtig, wenn die Ergebnislisten im Internet stehen.
© Elisabeth Herms-Lübbe, 05.12.2006
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