Alle zeigen - Bericht von Frank Hildebrand zum Seilersee 24-Stundenlauf-Event:
Frank Hildebrand , 29.04.2009

Zum Geburtstag bei Bernd

Mal wieder ein 24er mit Sarah

Endlich mal wieder ein 24er und endlich mal wieder ein Lauf, den ich zusammen mit meiner Tochter Sarah machen kann. Und dazu konnte ich noch meine Frau Claudia überreden uns nach Iserlohn und wieder zurück zu fahren, besser kann's ja gar nicht kommen.
Außerdem ist so ein 24-Stunden-Lauf immer eine gute Gelegenheit diverse Laufbekanntschaften aufzufrischen. Man trifft auf der Runde immer wieder die selben Leute und kann laufend quatschen oder auch umgekehrt. Man kennt sich und es gibt immer viel zu erzählen. Auch Sarah liebt die Atmosphäre bei solchen Rundenläufen. Sie ist inzwischen bei den Ultraläufern bekannt und wird von ihnen akzeptiert.

Der Lauf ist ein Benefizlauf für ein Straßen- und Waisenkinderprojekt in Tibet und für eine integrative KiTa, da ist das Startgeld mal wieder besonders gut angelegt. Bernd hatte ihn im letzten Jahr erstmals als gelaufene Geburtstagsfeier veranstaltet. Das ist so gut angekommen, dass es ihm eine Wiederholung wert war.

Bei der Anmeldung erst mal wieder die große Frage, darf ich zusammen mit Sarah kommen? Na ja, der Lauf ist ja in einen offiziellen Lauf nach DLV-Richtlinien und mit Altersbeschränkung und in einen "Free-Runner"-Lauf geteilt. Bei den Free Runnern kann jeder laufen, egal wie kurz oder lang und egal wie alt. Also einfach mal den Veranstalter anmailen. Bernd antwortet schnell und ist begeistert von der Idee uns im Doppelpack begrüßen zu dürfen. Am nächsten Morgen habe ich noch 'ne Mail von Johannes, dem zweiten Veranstalter im Postfach. Er schreibt, er ist Kinderarzt und Kinderkardiologe -- ach Du Sch..., denke ich, lese dann aber weiter. In seiner Praxis sieht er eher die Kinder die sich nicht bewegen und von denen es viel zu viel gibt -- ähm, viel zu viel von jedem einzelnen Kind meine ich jetzt. Und genau deshalb ist er auch als Kinderarzt begeistert von Sarahs Liebe zum Ultralauf. Wir sind also willkommen, das ist schön.

Zwei Wochen vor dem Lauf kommt Sarah, "Du Papa, meine Laufschuhe sind zu klein." Trotz Ferien schaffen wir es nicht, zügig neue Laufschuhe zu kaufen. Erst am Donnerstag vor dem Lauf finden wir die Zeit, gemeinsam zu unserem Stamm-Laufladen zu fahren und endlich für mehr Platz im Schuh zu sorgen. So'n 24-Stundenlauf ist auch immer eine gute Gelegenheit neue Schuhe einzulaufen. Beim letzten 24er in Hilden haben wir das beide gemacht -- ohne Probleme.

In Iserlohn werden wir freundlich von Bernd empfangen. Wir bauen noch schnell unser Zelt auf und ziehen uns um, dann sind es auch nur noch ein paar Minuten bis zum Start. Tom Kuschel mit der Startnummer 1 soll in der ersten Reihe starten. Er wird von einem WDR Kameramann begleitet. Der WDR dreht eine Reportage über den 24 Stundenlauf und speziell über Tom als Beispiel für einen Hobbyläufer. (Die Reportage wurde am auf den Lauf folgenden Montag ausgestrahlt, ich fand sie sehr gelungen, inzwischen ist sie unter http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2009/04/27/lokalzeit-suedwestfalen-lauf.xml abrufbar)

Die ersten Runden nutzen wir um die Strecke kennen zu lernen. Hier ein Gefälle, da eine Steigung, das wird noch schwierig. Wenn die Autobahnbrücke über den Seilersee nicht wäre, dann wäre es hier richtig idyllisch. Zum Glück ist die A46 nicht so stark befahren, sonst würde man wohl sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
Sarah rennt die ersten drei Runden fast durch, dann kommen wieder die altbekannten Gehpausen. Sie lässt es sehr ruhig angehen, ist ja schon ein alter Hase. ;-) Ich lasse mich mal wieder ganz auf ihr Tempo ein.
Ausnahme sind immer die letzten Meter bis zur Rundenzählung. Dort sprintet Sarah davon um vor mir durch zu sein. Sie wird diese Rundenzählsprintzwischenwertungen fast alle gewinnen.

Nachmittags um 14:00 Uhr startet der Kinderlauf. Diese haben eine Runde von 600 Metern, die leider nur an einer Stelle unsere Laufstrecke berührt. Immerhin bis 18:00 Uhr haben die Kids Zeit zu zeigen was sie können. Ich bin ja immer wieder begeistert, was so in den Kindern drinsteckt. Nach einiger Zeit bekomme ich ein paar Gesprächsfetzen zwischen zwei ca. 6-jährigen mit und höre, dass der eine schon seine zweite Karte hat. Moment mal, eine Karte sollte für 16 Runden sein. 16 Runden mal 600 Meter macht zusammen 9,6 km. Dann hat er ja schon über 10 km. Für mich zeigt sich mal wieder: Kinder wollen sich bewegen. Gib ihnen die richtige Motivation und sie sind nicht mehr zu bremsen. Und wie sieht die Realität aus? Fernseher und Playstation in mehr als der Hälfte der Kinderzimmer (und das schon im Grundschulalter), Sportlehrer, die selbst nicht in der Lage sind, den Kindern vorzumachen, was sie von ihnen fordern, die den Spaß am Sport verderben statt ihn zu fördern.

Das Läuferbuffet ist abwechslungsreich und vorbildlich. Jeder Wunsch wird erfüllt. Ab nachmittags gibt es sogar gefüllte tibetanische Teigtaschen mit scharfer Soße. Ich nehme eine und verteile etwas Soße darauf, Sarah will es mir gleichtun, wird aber von der Spenderin gewarnt, dass die Soße sehr scharf ist. Ich teste und gebe Sarah Entwarnung, ist genau ihre Schärfe. Sie nimmt noch mehr Soße als ich und bekleckert sich beinahe. Später steigt sie dann auf TUC Kekse mit scharfer Soße um.
Später gibt es noch warme Nudeln und heiße Suppe. Kann man sich als Läufer noch mehr wünschen?!?!?

Gegen Abend eine Spinning Vorführung mit fetziger Musik. Meine Frau ist begeistert, nur Läufer sind ihr langweilig zum zuschauen. Ich würde gerne länger zusehen, habe aber keine Zeit, Sarah drängelt schon wieder.

Zwischendurch flachst Sarah mit unseren Mitläufern rum, sie müsste mich immer mit der Peitsche antreiben, wenn keiner zusieht, ich sei ihr zu langsam. Das ist ja sowieso das Schöne an Rundenläufen. Man trifft sich immer wieder und hat viel Zeit zu scherzen.

Irgendwann abends steht meine Frau an der Strecke und meint Sarah ist jetzt genug gelaufen. Sarah wehrt sich vehement. Sie will mindestens den Marathon voll machen, möglichst mehr. Claudia meint, das ist zu viel. Sarah völlig abgeklärt: „Mama, hier ist sogar ein Kinderarzt an der Strecke, meinst Du der würde mich hier noch laufen lassen, wenn das nicht ok wäre?!?“

Nachdem Sarah ihr Zwischenziel von 24 Runden (etwas mehr als ein Marathon) erreicht hat, ist schlagartig die Luft raus. Ich übergebe sie an meine Frau, die schon mit Laura im Zelt wartet. Sarah und Laura schlafen sofort ein, meine Frau ist noch bis nach zwei wach. Zum einen ist die Musik noch recht laut, zum anderen herrscht im Nachbarzelt Zickenkrieg, der erst um zwei durch ein Machtwort beendet wird. In der Nacht unterhalte ich mich noch mit dem Vater der Zicken und er entschuldigt sich mehrfach für die Störungen. Hätte er es vorher mitbekommen, dann wäre er auch schon vorher eingeschritten.

Die Nacht will ich jetzt endlich zum Laufen nutzen. Aber nach zwei, drei Runden laufen ist die Luft schon wieder raus. Nachdem ich den ganzen Tag mit Sarah rumgeschlichen bin, komme ich einfach nicht in den Tritt. Also gehe ich sehr viel und laufe recht wenig. Zwischendurch unterhalte ich mich immer wieder mal mit Jutta, Barbara, Conny, Tasso und anderen habe aber auch Phasen, in denen ich einfach alleine sein und abschalten möchte. Wenn die anderen dann am Verpflegungsstand Picknick machen, laufe ich sofort weiter. So geht die Nacht richtig schnell rum.

Sarah hatte mich mal wieder beauftragt sie spätestens um 7 Uhr zu wecken. Ich habe keine Uhr dabei und im Stadion oder an der Strecke gibt es auch keine. Während ich noch überlege wie ich ohne Uhr die Zeit möglichst genau treffe, steht Sarah um Punkt sechs schon wieder an der Strecke – verrückt.

Ich will sie erst mal zur Verpflegung lotsen, sie meint nur sie ist noch nicht wach genug zum frühstücken, sie muss sich erstmal wachlaufen.
Merke:
Du merkst, dass Du ein Ultra bist, wenn Du Dich wachlaufen musst um frühstücken zu können.

In der zweiten Runde ist sie immerhin schon wach genug für eine Tasse Tee mit viel Zucker, danach geht auch essen. Heute lassen wir es besonders ruhig angehen und brauchen für so manche Runde eine halbe Stunde. Selbst zu ihren Rundenzählsprintzwischenwertungen hat Sarah heute keine Lust mehr.

Um 11 Uhr, eine Stunde vor Schluss hat Sarah ihr Ziel erreicht, sie hat mit knapp 60,8 km fast 400 Meter mehr als in Hilden. Ich wollte bloß dreistellig sein und habe das auch schon seit einiger Zeit erreicht. Wir hauen uns einen Moment ins Zelt, Sarah ist aber nach kurzer Zeit schon wieder weg. Nach einer viertel Stunde kommt sie wieder: „Papa, der zweite Free Runner ist nur noch zwei Runden hinter mir. Ich laufe noch, kommst Du mit?“ Und weg war sie. Zur Erklärung: Schon seit gestern Nachmittag wird Sarah am Zählcomputer als erster Free Runner geführt. Den Platz will sie unbedingt verteidigen.

Bis ich aus dem Zelt bin und meine Schuhe wieder an habe, hat sie schon über 200 Meter Vorsprung. Und was soll ich sagen, sie rennt und das wesentlich schneller als in ihrer ersten Runde!!!! Sarahs Judo-Trainer meint immer, sie sei ein Kampfschwein, ich kann es nur bestätigen!! Auch ich gebe noch mal alles und versuche sie einzuholen, komme aber nicht näher ran. Unglaublich. Als ich wieder ins Stadion komme schaut meine Frau mich an, als komme ich von einem anderen Stern: „Was soll das denn jetzt? Ich dachte ihr seid fertig?!?!“ Ich erkläre ihr die Lage und sehe Sarah schon wieder das Stadion am anderen Ende verlassen. Also auf zur nächsten Runde. Nach der Hälfte dieser Runde macht sie endlich eine Gehpause und ich kann aufschließen. Sie erklärt mir: “Papa, ich war jetzt fast 20 Stunden die erste, jetzt will ich es auch bleiben!“
Wir traben den Rest der Runde und fragen am Zählcomputer nach. Der zweite Free Runner hat vier km Abstand und es ist noch eine viertel Stunde. Das sollte reichen. Wir legen noch 300 Meter drauf, verlassen aber schon gar nicht mehr das Stadion sondern markieren nur unseren Endpunkt und gehen zurück.
Sarah wartet bis zum Schluss am Zählcomputer und ist plötzlich enttäuscht, weil sie doch noch überholt wurde. War aber wohl ein Fehler, in der später veröffentlichten Ergebnisliste ist sie wieder auf Platz 1 mit 64,68 km und 4 km Abstand zum Zweiten.
Ich bin auch zufrieden, 111,1 km sind es geworden, Platz 20 von 34 und 4ter in meiner Altersklasse.

Die abschließende Siegerehrung fällt leider sehr verkürzt aus, weil wir den Platz räumen müssen. Schade, aber es ließ sich nicht anders einrichten.

Abschließend noch mal Danke für die nahezu perfekte Veranstaltung. Wir kommen wieder…..


Ach ja, auf dem Rückweg meinte Sarah noch: "Hoffentlich muss ich morgen keinen 800-Meter Lauf in der Schule machen..."
Und was musste sie in Sport machen?!?!? Genau das!!


© Frank Hildebrand, 29.04.2009

Weitere Info's und Berichte zum Lauf:


Kommentare Kommentare zu diesem Bericht:
 Bisher hat leider noch niemand einen Kommentar geschrieben :-((

Du bist nicht angemeldet und kannst somit keine Kommentare schreiben!

Falls du bereits als User registriert bist, kannst du dich hier anmelden, ansonsten müsstest du einmalig eine "Registrierungsprozedur" über dich ergehen lassen...